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VI. Starkather, Helga. 257


vergrösserte er die Schande des Verwundeten durch Spott und begann so zu höhnen:

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„Sagt, warum schweigt so verstöret das Haus? was reget den Schmerz auf

Immer aufs neue? wo ruht jetzt der weibersüchtige Mann aus,
Welchen das Eisen jüngst strafte für Liebe, die nicht ihm gebührte?
Lebet auch jetzt noch in ihm sein Stolz und die eitele Prunksucht,
Hält er noch fest sein Beginnen, und glüht er noch immer in Wollust?

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Mög’ er mit mir doch verplaudern in trautem Gespräche ein Stündlein,

Mög’ er den früheren Groll beilegen mit freundlichen Worten[1].
Zeiget ein freundlich Gesicht, nicht töne im Hause die Klage,
Nicht soll Trauer und Thräne des Harms entstellen das Antlitz.
Wer doch in Liebe entbrannt zu dem Mädchen, das wollte ich wissen,
[192] 192Wer in sein Herze genommen das mir so teuere Pflegkind;
Nahm drum den Hut, dass nicht das bekannte Gesicht mich verrate.
Da kam lüstern herein jener Schmied unzüchtigen Schrittes,
Warf bald so und bald so in studiertem Geschlenker die Beine,

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Drehte mit gleicher Geziertheit die Augen bald hierhin, bald dorthin.

Hei! wie stand ihm so fein doch der Mantel mit Biber gebrämet,
Perlenbesät war der Schuh und das Röckchen mit Golde gesticket;
Glänzende Bänder durchwanden die zierlich geschniegelten Löckchen,
Auch eine streifige Binde umschlang ihm das wallende Haupthaar.

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Daher erwuchs ihm der nichtige Stolz und der Hochmut des Herzens,

Reichtum erschien ihm wie edle Geburt und die Schätze wie Ahnen;
Nach dem Besitze ermass er den Stand und nicht nach dem Blute;
Daher entsprang Überhebung und Trotz in dem eitelen Wichte.
Ob seines Putzes vermeint’ er, Aschpuster, erbärmlicher Schmutzfink,

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Gleich den Grossen zu sein und dem Adel, er, der mit den Bälgen

Jagd macht auf Luft und mit emsigem Ziehn aufreget den Windzug,
Der mit den Fingern die Asche durchwühlt, mit gezogenem Blasbalg,
Auf und nieder, einhaschet den Wind und mit dünnerem Wedel
Luftzug erregt und zur Glut anfachet das glimmende Feuer;

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Schreitet dann hin zu dem Schosse des Mädchens, und an sie geschmieget,

„Jungfrau!“ sagt er, „nun kämm mir das Haar und fang mir die Flöhe,
Fang mir die Springer, die schnellen; entferne, was beisset die Haut mir.“
Setzet sich nieder alsdann und zeigt goldstrotzende Arme,
Lagernd auf schwellendem Polster, gestützt auf die Beuge des Armes,

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Prunket und prahlet mit seinem Geschmeid, wie das Tier mit Gekläffe

Rasch den geschlungenen Ring des gewickelten Schwanzes entfaltet.
Als sie mich sah und erkannte, da will den Verliebten sie ducken,
Stösst die lüsternen Hände zurück und nennt mich mit Namen.


  1. hesternus bedeutet zwar in der Regel (10511–23036–61019) „gestrig“, hier aber wohl, wie auch 9320 „voraufgehend“.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_267.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)