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308 Siebentes Buch.


die mehr durch die Berühmtheit ihrer Freier sich bestimmen lassen, als durch ihr Äusseres und die, da sie nicht der Erscheinung, sondern des Geistes Wert abschätzen, zu einem Ehebunde allein die Rücksicht auf das Innere treibt. Hagbarth aber kam mit den Söhnen des Sigar nach Dänemark, erlangte ohne deren Vorwissen ein Gespräch mit ihrer Schwester und bewog sie schliesslich dazu, ihm die Verheissung eines geheimen Beilagers durch einen feierlichen Eid zu bekräftigen. Als später ihre Mägde die hervorragenden Ruhmesthaten der Fürsten unter einander verglichen, stellte sie den Hako über Hildegisel, denn an diesem fände sich nichts Rühmenswertes wie die schöne Gestalt, an jenem aber werde der Mangel an Schönheit durch die Blume des Mutes aufgewogen; und sie begnügte sich nicht, ihn mit schlichten Worten zu feiern, sondern sang noch folgendes Lied:

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Fehlt ihm auch schöne Gestalt, so erglänzt er in herrlichem Mute,

     Die Kraft giebt seinem Antlitz Wert.
Denn das Gebrechen unschöner Gestalt wiegt männlicher Sinn auf
     Und tilgt des Körpers Mangel aus.
Glanz giebt das Herz dem Gesicht, durch die Tapferkeit strahlet das Antlitz,

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Durch seine Strenge schon geschmückt.

Nicht nach dem Glanz preisst selig das Herz, nur den Glanz nach dem Herzen,
     Wer richtet Menschen Sitten recht.
Diesem verleiht nicht Wert die Gestalt, nein! tapferer Wagmut
     Und Ruhm, erlangt durch Waffenthat.

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Jenen empfiehlt nur die Zierde des Haupts und das glatte Gesichtchen,

     Der Scheitel, hell von blondem Haar.
Wertlos ist die Gestalt ohne Geist, bald schwindet in Trümmern
     Der trügerischen Schönheit Zier.
Schönheit und tapferer Sinn, wie ungleich ist doch ihr Ausgang!

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     Denn jene schwindet, diese bleibt.

Schöne Gestalt trägt in sich Verfall, allmählich zerstöret
     Sie ganz der leise Schritt der Zeit;
Aber der tapfere Sinn stärkt schöneren Loses die Herzen,
     Bleibt ungeschwächt in Ewigkeit.
[232] 232Äussere Güter bestechen die Menge, sie lasset sich täuschen,
     Das Volk kennt nicht des rechten Mass;
Mir aber machet die Tugend genehm ein besseres Urteil,
     Ich achte nicht der Schönheit Schein.

Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_318.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)