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314 Siebentes Buch.


dass von den Schergen vorher erst sein Mantel an den Galgen gehängt würde; es würde ihm Vergnügen bereiten, wenn er ein Abbild seines nahen Todes in einer vorbildlichen Darstellung schauen könnte. Das wurde ihm gewährt, und nun meldete der Wächter auf der Warte, der natürlich glaubte, das würde an Hagbarth vorgenommen, den in der Halle eingeschlossenen Mädchen, was er erschaut. Da wurde das Haus dem Feuer überliefert, die Mädchen stiessen den Holztritt unter ihren Füssen fort und liessen sich durch den Strick die Kehle zuschnüren. Als Hagbarth die Königsburg in Brand gesteckt und das bekannte Schlafgemach in Flammen aufgehen sah, da sagte er, der nahe Tod könne ihm keinen Schmerz bringen, da ihm die Treue der Geliebten eine unaussprechliche Freude bereite. Er drängte sogar die Umstehenden zur Vollstreckung der Strafe und gab durch das folgende Gedicht kund, wie gleichgültig ihm der Tod war:

Schnell, o ihr Leute! ergreift mich und zieht mich empor in die Lüfte!
     Süss für mich ist es, mein Weib! sterben nach Deinem Geschick.
[237] 237Prasseln vernehm’ ich und sehe das Haus sich röten in Flammen,
     Und was die Liebe verhiess, lässt sie jetzt treten ans Licht.
Siehe! was Du mir gelobet, jetzt wird es erfüllet in Treue,
     Denn wie im Leben Du mir, bist Du Genossin im Tod.

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Ein Tod nimmt uns dahin, ein Band umschlingt uns in Treue,

     Nie kann schwinden der Bund unserer Liebe dahin.
Glücklich ich, der ich verdient, eine solche Genossin zu finden,
     Nicht in das dunkele Reich böse zu gehen allein.
Nun mag hart mir der Strick und fest um die Kehle sich schlingen,

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     Bringen ja kann mir der Tod nur, was mein Herze erfreut;

Lebt mir doch sicher die Hoffnung: ich finde im Tod die Geliebte;
     Bitter ist nicht mir das Grab, winkt mir doch Freude auch dort.
Himmel und Erde ergötzt: uns bleibet, wie hier, so im Jenseit,
     Gleichre ergebener Sinn, gleiche beständige Lieb’.

Denn siehe, ich gehe dem drohenden Verhängnis mit Freuden entgegen, da die Geliebte auch in der Unterwelt ihrem Genossen die Umarmung nicht fehlen lässt.“ Kaum war das Wort gesprochen, da nahmen ihm die Schergen mit dem Stricke das Leben. Damit man nicht meint, dass die Spuren der alten Geschichte ganz geschwunden sind, so weise ich darauf hin, dass der erzählte Vorgang noch heute seine

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_324.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)