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362 Achtes Buch.


Bin ich ins Alter gedrungen; ich kannte die Furcht nicht; zu kämpfen
War mir ein Ruhm und zu feiern ein Schimpf; im Gemetzel zu stehen

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Galt mir für treffliches Werk und von Kampfe zu Kampfe zu schreiten.

Oft hab’ ich tapfere Fürsten gesehen sich treffen im Kampfe,
Sah, wie die Schilde und Helme zerbarsten, die Felder sich färbten
Rot vom Blut, und wie Panzer zerbrachen, getroffen vom Speere,
Wie dem geschwungenen Schwert Raum boten die Platten der Rüstung,

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Und wie das wilde Getier an den Leichen der Kämpfer sich feist frass.

Oft hat dort, wenn ein Mann[1] in dem Streben nach herrlichem Kriegsruhm
Stark und mutig im Kampf, in den dichtesten Haufen der Feinde
Vordrang, plötzlich ein andrer zerschlagen die Deckung des Hauptes,
Ganz durchschlagen den Helm und das Schwert in den Scheitel gesenket:

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Dort aber hat auch dies Schwert, von der Rechten des Kämpfers geschwungen,

Decken zerschlagen und tief in den Schädel des Feinds sich gebohret.

 Hather:
Sag’! woher kommst Du, der oft Du besungen die Heimat in Liedern,
Stützend den wankenden Schritt mit dem Stecken, der Halt nicht gewähret?
[271] 271Sag’! wohin willst Du, Du Seher und Priester der dänischen Muse?
Hin ist geschwunden, verloren der Glanz Deiner trefflichen Stärke,
Dir hat verlassen die Farbe das Antlitz, die Freude die Seele,
Treulos versaget die Stimme dem Munde, sie tönet nur heiser;

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Auch ist die alte Erscheinung des Körpers gewichen, Entstellung

Hat ihn gepackt und vernichtet die Kraft und die schöne Gestaltung.
Wie von beständigen Fluten geschüttelt ein Fahrzeug zerlechzet,
So bringt Alter, erzeugt durch langes Verstreichen der Jahre,
Endlich den bitteren Tod; wenn das Leben die Kräfte verbraucht hat,

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Sinkt es zusammen und leidet den Schwund seines früheren Loses.

Wer hat verboten Dir, kundiger Greis! noch die Scherze der Jugend
Rührig zu pflegen, zu treiben den Ball und den Nusskern zu speisen?
Besser schon ist es für Dich, so denk’ ich, das Schwert zu verkaufen;
Kauf eine Kutsche dafür für die Fahrten, ein lammfrommes Rösslein,

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Oder mit selbigem Gelde erwirb Dir ein Wäglein, ein leichtes.

Besser ja ist’s, dass der kraftlose Greis, dem die Füsse versagen,
Suchet die Dienste des lastbaren Tieres; dem nützen die Räder,
Rollend im Kreis, wem zittert der Fuss, von den Kräften verlassen.
Scheust Du jedoch zu verkaufen das Schwert, das Dich nutzlos belastet,

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Wird ’s Dir entrissen und bringt Dir den Tod, wenn nicht es verkauft wird.

  1. d. h.: Ich.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_372.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)