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IX. Regners Söhne. 425


Die Nachricht von diesem Trauerfalle erhielt Iwar, als er gerade Spielen zusah. Jedoch er veränderte seine Miene nicht und zeigte sich ebenso fest wie sonst; die Nachricht von dem Tode des Vaters unterdrückte er durch Niederkämpfung seines Schmerzes, ja er liess nicht einmal einen Ausruf aufkommen und gab nicht zu, dass das von dem Gerüchte niedergeschmetterte Volk den Schauplatz verliess. Er legte den heiteren Gesichtsausdruck nicht ab, denn er wollte das Spiel nicht aufhören machen und die Schaustellung nicht unterbrechen; er wandte die Augen nicht ab von der allgemeinen Lust, um sein eigenes Leid zu beweinen; denn er wollte nicht aus der höchsten Freude plötzlich in die tiefste Traurigkeit verfallen und damit über dem Unglücke des Sohnes seine Aufgabe als Volksführer beim fröhlichen Spiele vergessen[1]. Als Siward dieselbe Nachricht empfing, da stiess er, weil ihm die Liebe zum Vater höher stand als Rücksicht auf eigenes Leid, die Lanze, die er gerade in der Hand hatte, sich tief in den Fuss ohne Empfindung; der düstere Schatten der Traurigkeit liess ihn den körperlichen Schmerz nicht fühlen. Absichtlich nämlich verletzte er einen Körperteil, um die seinem Herzen geschlagene Wunde geduldiger ertragen zu können. Damit bekundete er zu gleicher Zeit Mut und Trauer; was er sich anthat, zeigte ihn als den Verlust fühlenden Sohn und als standhaften Mann. [315] 315Als aber Biorn die Nachricht von dem Tode des Vaters beim Würfelspiele erhielt, presste er den Würfel, den er ergriffen, in der Hand mit solcher Kraft zusammen, dass er das Blut aus den Fingern drückte und auf das Spielbrett spritzen liess; da hat er natürlich gelernt, dass das Glück noch unberechenbarer ist, als der Fall des Würfels, den er rollen liess. Als Hella das erfuhr, gab er das Urteil ab, dass von den drei Söhnen der den Tod des Vaters mit der festesten Geistesstärke hingenommen habe, der dem Toten kein äusseres Zeichen der Liebe gewidmet habe, dass er also von dem tüchtigen Iwar am meisten


  1. Diese Erzählung von Iwar ist nur eine Nachbildung von Valerius Maximus 4, 1, 13; ein Ausdruck stammt noch aus 5, 10, ex. 1, ein anderer aus 6, 9, ex. 1.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_435.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)