Seite:Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus 441.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
IX. Gorm III. 431


er die königliche Macht mehr zu erhalten, als zu erweitern strebte.

Nach ihm gelangte Gormo zur Regierung; stets ein Feind der wahren Religion wünschte er die Christen als die verworfensten Menschen ohne Gnade auszutilgen. Alle Anhänger dieses Glaubens quälte er mit mannigfachen Unbilden und wurde nicht müde, ihnen mit allen möglichen Schandthaten zuzusetzen. Um die heidnischen Tempel in ihre früheren Ehren wieder einzusetzen, zerstörte er die auf dem Grund und Boden von Schleswig von Gläubigen (Mönchen?) erbaute Kirche bis auf die Grundmauern als einen Schandsitz des Abfalls von den Göttern; die er mit seinen Martern nicht getroffen, die wollte er durch die Niederlegung ihres Tempels strafen. Er war zwar ungewöhnlich hochgewachsen, jedoch der Geist entsprach wenig dem Körper. Er begnügte sich in Selbstzufriedenheit mit der friedlichen Herrschaft und hatte seine Freude mehr an der Erhaltung als an der Vermehrung seiner Macht; [319] 319er hielt es für besser, seinen Besitz zu schützen, als fremden anzufallen, und mehr Sorge machte ihm die Bewahrung des Erworbenen, als neue Erwerbung.

Als seine Grossen ihn mahnten, sich zu vermählen, warb er um Thyra, die Tochter des englischen Königs Hedelradus. Sie war eine besonnene und kluge Frau und stellte ihrem Freier eine Bedingung: sie werde ihn nur dann heiraten, wenn sie Dänemark als Mitgift[1] erhielte. Das wurde ihr vertragsmässig zugesagt, und nun verlobte sie sich dem Gorm. In der Brautnacht aber nahte sie ihrem Manne mit den brünstigsten Bitten und verlangte, dass er sie noch drei Tage Jungfrau sein lassen sollte; sie beschloss nämlich bei sich, erst dann an liebende Umarmung zu denken, wenn sie durch ein Traumzeichen die Gewissheit erlangt hätte, dass der Ehe Kinder entspriessen würden. So unterbrach sie den Eintritt der Ehe durch Vorspiegelung der Enthaltsamkeit und gab ihrem Vorsatze, erst Gewissheit über Nachkommenschaft zu erlangen, den schönen Anschein der Keuschheit und schob


  1. Morgengabe?
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 431. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_441.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)