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IX. Gorm III. 433


sodann den forschenden Hausgenossen sein Gesicht kundgab, da entnahm ihm Thyra, dass sie mit Nachkommenschaft gesegnet sein würde, gab nun ihren Vorsatz, die Vollziehung der Ehe zu verschieben, auf und verzichtete gern auf die Jungfrauschaft, die sie durch dringende Bitte sich hatte erhalten wollen; indem sie die eheliche Gemeinschaft eintreten liess, gewährte sie dem erfreuten Gemahle den Genuss ihrer Liebe und belohnte seine rühmliche Massigkeit durch reichliche Gewährung des Beilagers, erklärte aber, dass sie sich ihm nicht hingegeben haben würde, wenn sie nicht aus den Bildern des geschilderten Traumes die Gewissheit einer fruchtbaren Ehe gewonnen hätte. So ging das auf Grund eines schlauen, aber seltsamen Planes vorgeschützte Keuschheitsverlangen in eine Gewissheit des Kindersegens aus. Das Geschick täuschte ihre Erwartung nicht: sie wurde bald die glückliche Mutter zweier Söhne, Haraldus und Kanutus. Als diese in das männliche Alter getreten waren, demütigten sie auf einem Seezuge die masslose Frechheit der Slaven, jedoch auch England liessen sie nicht frei von Heimsuchung. Edelrad freute sich über ihren mannhaften Sinn, und ihm war die Gewaltthat, die seine Enkel an seinem Lande verübten, ein Vergnügen; als schönes Geschenk betrachtete er die abscheuliche Plünderung; denn nach seiner Ansicht konnten sie ihre Tüchtigkeit besser durch kühne Thaten darthun, als durch Beweise der Ehrfurcht. Deshalb hielt er es für rühmlicher von feindlich auftretenden Enkeln angegriffen, als von feigen geehrt zu werden, gleich als ob er in ihrem tapferen Auftreten eine Probe ihrer künftigen Mannhaftigkeit sähe. Er konnte allerdings wohl gewiss sein, dass sie fremdes Land dereinst anfallen würden, da sie ja sogar die Heimat ihrer Mutter kühn brandschatzten. Gewaltthaten standen in seinen Augen so viel höher, als kindliche Dienste, dass er ihnen mit Übergehung seiner Tochter England im Testamente vermachte und seine Eigenschaft als Vater hinter dem Grossvater zurücktreten liess; nicht unweise, denn er wusste wohl, dass Männer eine weit bessere Zierde für einen Thron sind, als Weiber; deshalb meinte er die kräftigen Enkel anders behandeln zu

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_443.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)