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Toko. 437


nahm die Probe um so zuversichtlicher auf sich, je schwieriger sie war. Toko liess also seinen kleinen Sohn kommen und mahnte ihn eindringlich, er solle, unbeeinflusst durch den Ton und ohne den Kopf wegzubiegen, das Schwirren des kommenden Pfeiles ganz ruhig anhören, damit er nicht durch eine, wenn auch nur leise Bewegung des Körpers den wirkungsvollen Erfolg seiner Kunstprobe vereitle. Er sah sich nach einer Möglichkeit um, ihm die Furcht etwas zu benehmen und stellte ihn mit abgewandtem Gesichte auf, dass ihn der Pfeil nicht schrecke, wenn er ihn sähe.

Nun nahm er drei Pfeile aus dem Köcher; [330] 330sofort der erste aber, den er auf die Sehne legte, traf und haftete in dem Ziele. Wenn der Zufall ihn auf das Haupt des Knaben abgelenkt hätte, so wäre das Unglück des Sohnes auch noch zu einer Gefahr für den Vater ausgeschlagen, und ein Abirren des Pfeiles hätte beide, den getroffenen Sohn und den unglücklichen Schützen, ein gemeinsames Ende finden lassen. Ich weiss also nicht, ob ich mehr die Kunst des Vaters oder den Mut des Sohnes bewundern und preisen soll; der eine vermied durch sein grosses Geschick den Mord seines Kindes, der andere schuf durch sein geduldiges Aushalten mit Körper und Geist sich Heil und bewahrte seinen Vater vor Frevel. Die äussere Haltung des Knaben stärkte das Herz des Mannes, da er eben so grosse Unerschrockenheit dem kommenden Pfeile gegenüber zeigte, wie der Vater Kunstfertigkeit im Abschiessen desselben bewiesen hatte. Also war es seiner Standhaftigkeit zu danken, dass nicht ihm das Leben und dem Vater die Seelenruhe entrissen wurde. Als der König Toko fragte, warum er mehrere Pfeile aus dem Köcher genommen, da er doch nur einmal sein Glück mit dem Bogen hätte versuchen sollen, da sagte er: „Um an Dir das Fehlgehen des ersten Pfeiles mit der Spitze der andern zu rächen, damit nicht vielleicht meine Unschuld in Strafe verfiele, Deine Tyrannei aber ungestraft bliebe.“ Dieses freimütige Wort zeigte, dass ihm der Ruhm der Tapferkeit gebührte, und dass des Königs Befehl eine Bestrafung verdiente.

Aus dieser gefährlichen Klemme wurde er somit gerettet,

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_447.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)