vornehme Stube wäre! Es ist garnicht zu glauben, was für einen vornehmen Anstrich das Geld giebt. Da, sehen Sie mal, diese feinen Möbel. Da legt man sich nun so lang darauf hin, die Havannah im Munde und liest die Zeitung. Und dann sieht man nach, ob die Lüge noch immer 293½ steht und ob die Wahrheit noch immer niedriger steht als die Türkenlose. Und dann freut man sich, daß man die schlechten Papiere nicht hat.
Stein: Ich verstehe garnicht –
Wolfgang (ihn überhörend): Hier, diesen ehrlichen Schreibtisch und diesen braven Stuhl – die hab’ ich mir schnell herbeischaffen lassen aus unsrer alten Wohnung; – wenn ich hier sitze, (tief schmerzlich:) dann habe ich noch einen Rest von dem alten, behaglichen Reinlichkeitsgefühl.
Stein: Aber wie war denn das alles nur möglich, Herr Behring?
Wolfgang: Das will ich Ihnen sagen. Meine Frau wurde krank, todkrank, damals, als unser Junge eben gestorben war. Ich glaubte mir Vorwürfe machen zu müssen, daß ich mit schuld sei an ihrer Krankheit – jetzt weiß ich besser, wann man sich Vorwürfe zu machen hat. Ich brauchte Geld, unmäßig viel Geld. Na – und mein Schwiegervater war so liebenswürdig.
Stein: Das – das erklärt ja freilich manches –
Wolfgang: Ja, nicht wahr? Das entschuldigt sogar gewissermaßen. Das entschuldigt sogar sehr viel. Und nun sehen Sie mich an, Herr Stein. Wenn
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/115&oldid=- (Version vom 31.7.2018)