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Seite:Ernst Die groesste Suende.djvu/17

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Wolfgang: Vom Beten hab’ ich einmal eine Geschichte gehört, soll ich dir die erzählen?

Fritz: O ja, o ja! Erzähl, erzähl! (drängt sich zwischen Wolfgangs Kniee und sieht gespannt zu ihm hinauf.)

Wolfgang (in schlichtem, kindlichen Tone): *)[1] In einem fernen Lande lag einst ein Dorf mit einem Brunnen, dessen Wasser schlecht und ungesund war. Die Bewohner des Dorfes litten viel unter dem schlechten Wasser; fast alle erkrankten, und viele starben. Sie beteten zu ihren Göttern um besseres Wasser; sie opferten ihnen [und suchten auf jede Art, sie zu versöhnen]; aber niemand dachte daran, selbst etwas zur Besserung zu thun. Ein Mann aber lebte in demselben Dorfe, der opferte nicht und betete nicht, und man sah ihn nie im Tempel der Götter. Die anderen Leute haßten und verachteten ihn deshalb und nannten ihn den Gottlosen. Dieser Mann sprach eines Tages: „Ich will euch besseres Wasser verschaffen,“ ging mit einem Spaten hinaus auf’s Feld und begann einen Brunnen zu graben. Die es aber sahen, riefen: „Er will unser ganzes Dorf untergraben, daß unsere Hütten einstürzen und wir von den Trümmern begraben werden. Er ist ein Gottloser, darum ist ihm das Schlimmste zuzutrauen!“ Und sie gingen in der Nacht hin und schütteten das Loch wieder zu, das der Mann gegraben hatte. Als dieser am andern Morgen ihr Werk betrachtete, sprach er zu sich: „Meine Absicht ist gut; darum


  1. *) Die in [ ] stehenden Stellen können bei der Aufführung event. fortbleiben.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/17&oldid=- (Version vom 31.7.2018)