Seite:Erzählungen von Marie von Ebner-Eschenbach.djvu/318

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

in ein Regiment anwerben, das eben nach Italien abmarschirte. Auf dem Wege erreichte ihn die Nachricht, daß ein Töchterchen ihm geboren sei, und daß er seine Frau verloren habe.

Nach beendetem Feldzuge quittirte Paul die Officierscharge, zu welcher er auf dem Schlachtfelde von Custozza befördert worden, und nahm im Reichsrathe seinen Platz unter den Männern der Opposition ein. Sein Wissen, die Energie, mit welcher er seine Meinungen vertrat, erregten Aufmerksamkeit. Daß er ideale Zwecke verfolgte, setzte man auf Rechnung seiner Jugend; daß er freisinnige Politik trieb, wurde als eine Art Sport angesehen und dem Edelmanne verziehen, der den Augenblick schon finden werde, in die rechte Bahn einzulenken. In der Gesellschaft sicherten ihm seine Geburt und sein Vermögen eine bevorzugte Stellung. Aber sein Fuß war zu schwer für den parkettirten Boden des Salons. Er hätte die große Welt bald geflohen, wäre nicht Thekla darin zu finden gewesen. Wenn je zwei Menschen, so waren die für einander geboren, urtheilte ihre Umgebung. Beide zu gleichen Ansprüchen berechtigt, beide jung, schön, hochbegabt, mit Glücksgütern reich gesegnet. Namen, Rang, Verhältnisse in vollkommenster Uebereinstimmung. Mit der Unbefangenheit eines Mannes, der eine Zurückweisung nicht besorgt, legte Sonnberg seine Bewunderung an den Tag; mit sichtbarem Wohlgefallen wurde sie aufgenommen. Alle anderen Bewerber Theklas traten zurück, und jede leise Hoffnung auf die Gunst der Gefeierten erlosch,

Empfohlene Zitierweise:
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/318&oldid=- (Version vom 31.7.2018)