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Augen zusammen und fixirte Marianne mit eigenthümlich scharfem Blicke.

„Was fehlt Ihnen, Frau Gräfin? Sie sind aufgeregt. Sollte das Ereigniß, das bevorsteht in Ihrer Familie, sich Ihrer unbedingten Zustimmung nicht erfreuen?“

Sie versuchte nicht Unbefangenheit zu heucheln und zu thun, als verstände sie ihn nicht. Sie antwortete einfach: „Es ist keineswegs ausgemacht, daß überhaupt ein Ereigniß bevorsteht.“

„Um so besser dann“, sprach er.

„Warum?“ fragte Marianne befremdet.

Er lachte: „Warum? Bin ich der Mann, von dem man Gründe fordert? … Und wenn ich von meinem ahnungsvollen Gemüthe spräche, würden Sie mir glauben?“

Eine kleine Pause entstand, dann sagte Marianne wie mit plötzlichem Entschlusse: „Was haben Sie gegen den Grafen Sonnberg?“

Rothenburg antwortete spöttisch: „Alles. Daß er jung ist, daß er reich, schön, vornehm ist, daß er …“

„Den Ruf eines gescheiten Mannes besitzt“, ergänzte die Gräfin in demselben Tone.

„Den ihm alberne Leute gemacht haben – und der deshalb unerschütterlich ist. Uebrigens,“ fuhr er ernsthaft fort, „glauben Sie nicht, daß ich ihn unterschätze. Er besitzt ein kostbares und trotz der Behauptung unserer Psychologen äußerst seltenes Gut: eine Seele. Vorläufig ist ihm das noch ein Geheimniß – er weiß es nicht. Aber der

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Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/323&oldid=- (Version vom 31.7.2018)