in seiner ersten Ehe gewesen ist. Damals hatte er eine Pein kennen gelernt, ärger fast als unglückliche Liebe: die Pein, eine Neigung einzuflößen, die man nicht erwidert und doch erwidern sollte. Es war seine Pflicht, er hatte es gelobt … Schlimm genug, daß er sich dazu verleiten ließ! – Als Verwandte war Marie ihm werth gewesen, aber als seine Frau, da fand er gar vieles an ihr auszusetzen. Zuerst, daß er es fühlte: Sie leidet durch mich! Immer hatte man ihm gesagt, geborgen seien Alle, die ihm angehörten, sein Dasein schon sei Glück und seine Nähe Segen. – Warum empfand sie es nicht? Was wollte sie denn? Kurz angebunden war seine Art; schonungslos gegen sich selbst, verstand er sich nicht auf zarte Rücksichten gegen eine empfindsame Frau. Verweichlicht schalt er sie, anspruchsvoll, und wollte die leise Stimme in seinem Innern nicht hören, die ihm zuflüsterte, daß er ihr unrecht thue … Und wenn es wäre! er kann nicht anders: sie ist ihm ein Räthsel – und er, der alles begreift, was die Weisesten denken und die Edelsten empfinden … sie begreift er nicht, er steht rathlos vor diesem Kinde. –
Bitterkeit bemächtigte sich seiner, er wurde hart und wandte sich grollend ab. – –
Wohl ihm, daß sie vorüber, diese schwüle Zeit! Wohl ihm, daß es ihr Widerspiel ist, dem er hoffnungstrunken entgegen lebt! In Theklas Armen werden ihn die Erinnerungen nicht aufsuchen, die jetzt oft schmerzlich und störend herübergleiten aus der Vergangenheit. In der hellen Atmosphäre ihrer Lebensfreudigkeit wird er vergessen,
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/343&oldid=- (Version vom 31.7.2018)