die bezüglichen Standpunkte ins Auge faßt, trifft sich’s eigentlich immer. Was meinen Sie?“ Er wartete die Antwort nicht ab, sondern erhob sich: „Aber wir müssen ja fort … Auch Sie haben bereits die Ouverture versäumt, was freilich nicht für ein Unglück gilt, im Burgtheater … Es ist doch heut’ Ihr Logentag?“
„Nicht der unsere, der unserer Kammerjungfern, denn man giebt ein Trauerspiel. Wir bleiben zu Hause und wollten Sie beide,“ Marianne nickte Paul freundlich zu, „bitten, uns Gesellschaft zu leisten.“
„Wir sind bereit! o, mit Vergnügen!“ rief der Fürst und ließ sich sofort in einen bequemen Fauteuil nieder, der zwischen dem Kamin und dem Arbeitstischchen der Gräfin stand. Sie nahm ihre Tapisserie zur Hand, über welche Klemens viel Schmeichelhaftes zu sagen wußte. Er fand die Zeichnung, „Wirklich, man muß gestehen! geschmackvoll, und erst die Farben!“ – er hatte niemals zwei Farben gesehen, die so gut harmonirten – nicht einmal auf einem englischen Plaid – wie dieses Blau und dieses Grün … Mit hausfreundlichem Behagen und mit dem Interesse für den Inhalt von Nähtischen und Arbeitskörben, das beinahe alle Männer auszeichnet, die Talent zur Weichlichkeit besitzen, begann er das zierliche Necessaire aus Elfenbein zu öffnen und zu schließen, die goldenen Scherchen und Büchschen ein- und auszuräumen; er zog die bunten Seidensträhnchen, die sich die Gräfin zurechtgelegt hatte, durch seine Finger, und spielte so lange mit den kleinen Knäueln und Spulen, bis Marianne endlich
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/361&oldid=- (Version vom 31.7.2018)