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Seite:FFC13.djvu/26

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obgleich sie durch Übertragung teils auch ausserhalb desselben bekannt werden konnten. Ihre leichte Wanderung leitet sich aus ihrer von Ort und Zeit unabhängigen Beschaffenheit her, die sie überall anpassungsfähig und willkommen macht. Neue Märchen können auch noch entstehen, obgleich die Phantasie des Volkes im allgemeinen beschränkt ist, sie schafft in unserer Zeit sehr selten etwas vollständig Neues.

Die Märchen haben ihren eigenen Inhalt, der von dem der anderen Volkspoesie durchaus verschieden ist. Selten haben sie und die anderen Erzeugnisse der Volkspoesie sich miteinander vermischt. Es gibt einzelne Fälle, in denen ein Märchenmotiv als eine örtlich und zeitlich gebundene Sage oder als Lied in gebundener Form erscheint. Ein Märchenerzähler kann bisweilen seine Erzählung mit einem Spruche verschönern. Es ist auch nicht unmöglich, einem Rätsel mit dem Märchen verbunden zu begegnen. In einigen Märchen bildet das Erraten des Rätsels einen wesentlichen Teil der Erzählung. Alles dies sind jedoch Ausnahmefälle. Mehr Aufmerksamkeit verdient in der Erforschung der Märchen nur das Vorkommen der Märchenmotive in den alten Volksepen.

Man hat oft die Märchenforschung als Nebensache mit irgendeinem anderen Forschungsgebiet vereinigen wollen. Das hat man von der ersten Zeit der Forschung an getan und tut es noch heute. Die Freunde der grimmschen Schule sind meistens Mythologen und Linguisten, die der benfeyschen Schule Literaturhistoriker und die der englischen Schule Anthropologen gewesen. Daher haben sich viele von den Einseitigkeiten und Irrtümern hergeleitet, welche in der Forschung der Märchen vorgekommen sind. Die Märchen bilden ein besonderes Forschungsgebiet mit eigenem Inhalt und eigenen Forschungsmethoden, und sie müssen selbständig untersucht werden, wobei natürlich die Beziehungen des Forschungsgebiets zu einigen anderen nahestehenden Wissenschaftszweigen in Betracht zu ziehen ist.

Empfohlene Zitierweise:
Antti Aarne: Leitfaden der vergleichenden Märchenforschung. Suomalaisen Tiedeakatemian Kustantama, Hamina 1913, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FFC13.djvu/26&oldid=- (Version vom 31.7.2018)