Seite:FFC13.djvu/7

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ein Märchen von einem Volke zum andern übergegangen und dann auf dem fremden Boden fest gewurzelt sei.[1]

Um den Wert der Volksmärchen in den Augen derjenigen zu erhöhen, die ihnen wissenschaftliche Bedeutung nicht zuerkennen wollten, findet es Jacob Grimm angezeigt, die wissenschaftliche Behandlung der Märchen zu verteidigen. In der Einleitung zu Felix Liebrecht’s deutscher Übersetzung des Pentamerone äussert er nämlich:[2] „Gegenwärtig bedarf es keiner Entschuldigung dafür, dass diesen merkwürdigen Überlieferungen aller Ernst und alle Genauigkeit des Forschens und Untersuchens zugewandt werde, die wir der Sprache und den Liedern des Volks endlich überhaupt wieder angedeihen lassen. Sie mögen fortfahren, wie sie es lange Zeit hindurch unvermerkt im stillen getan haben, zu erheitern und zu unterhalten; allein sie dürfen jetzt zugleich wissenschaftlichen Wert in Anspruch nehmen, der ihnen viel weitere und allgemeinere Anerkennung sichert.“

Die grimmschen Ansichten über den Ursprung der Märchen gewannen allgemeine Anerkennung. Einer ihrer Anhänger war der schon erwähnte Österreicher J. G. v. Hahn, der nach grimmscher Auffassung das erste Märchentypensystem bildete[3], ferner der bekannte Orientalist Max Müller, der Italiener Angelo de Gubernatis und mit ihnen viele andere, die von dem Standpunkt der Naturerscheinungen das Entstehen der Mythen und der Märchen zu erklären versuchten. Von der Beschaffenheit der letzterwähnten Gedankenrichtung gibt die folgende Deutung André Lefèvre’s über das Rotkäppchenmärchen eine Vorstellung:[4]


  1. Grimm, KHM (Reklam) III S. 428.
  2. Liebrecht, Pent. (1846) I S. VIII; in H. Floerkes neuer Bearbeitung (1909) S. IX.
  3. Hahn v., J. G., Griechische und albanesische Märchen I (1864), Einleitung.
  4. Martens, Charles, L’origine des contes populaires (1894) S. 27 u. Forke, A., Die indischen Märchen (1911) S. 24.
Empfohlene Zitierweise:
Antti Aarne: Leitfaden der vergleichenden Märchenforschung. Suomalaisen Tiedeakatemian Kustantama, Hamina 1913, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FFC13.djvu/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)