Seite:Faust II (Goethe) 251.jpg

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Vierter Act.




Hochgebirg,
starke zackige Felsen-Gipfel. Eine Wolke zieht herbei, lehnt sich an, senkt sich auf eine vorstehende Platte herab.
Sie theilt sich.




Faust (tritt hervor).

Der Einsamkeiten tiefste schauend unter meinem Fuß,

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Betret’ ich wohlbedächtig dieser Gipfel Saum,

Entlassend meiner Wolke Tragwerk, die mich sanft
An klaren Tagen über Land und Meer geführt.
Sie lös’t sich langsam, nicht zerstiebend, von mir ab.
Nach Osten strebt die Masse mit geballtem Zug,

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Ihr strebt das Auge staunend in Bewundrung nach.

Sie theilt sich wandelnd, wogenhaft, veränderlich.
Doch will sich’s modeln. – Ja! das Auge trügt mich nicht! –
Auf sonnbeglänzten Pfühlen herrlich hingestreckt,
Zwar riesenhaft, ein göttergleiches Fraungebild,

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Ich seh’s! Junonen ähnlich, Leda’n, Helenen,
Wie majestätisch lieblich mir’s im Auge schwankt.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Faust - Der Tragödie zweiter Teil. Tübingen 1832, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Faust_II_(Goethe)_251.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)