Seite:Ficker Entstehung Sachsenspiegel 136.jpg

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sich nicht gerade hier deutlich ergäbe, wie bedenklich es sei, an der Hand solcher auf ganz subjektiven Auffassungen beruhenden Ansichten über die Entwicklung des Reichsstaatsrechtes bei der Bestimmung von Zeitfragen vorzugehen.

Die Bestimmung, dass der König das erledigte Fahnlehen binnen Jahr und Tag wieder verleihen soll, ist nur ein Ausfluss des allgemeinen Rechtssatzes, dass ein Gerichtslehen nicht über eine bestimmte Zeit erledigt bleiben darf. Ganz entsprechend bestimmen denn auch die sächsischen Rechtsbücher, dass der Fürst die in sein Fürstenthum gehörigen Grafschaften nicht in seiner Hand behalten soll. (V. A. 2 § 68. Ss. Ldr. 3, 53 § 3. Lhr. 71 § 3.) Dass dieser Rechtssatz in die frühesten Zeiten zurückreicht, ist doch gar nicht zu bezweifeln; wäre er, seit die lehnrechtlichen Grundsätze in diesen Verhältnissen massgebend wurden, noch nicht geltend gewesen, so wäre unzweifelhaft der Erfolg gewesen, dass sehr bald alle Grafschaften im Fürstensprengel unmittelbar an die Fürsten, aber auch alle Fürstenthümer an den König gekommen wären, da ja nach dem Reichslehnrechte der Fall der Erledigung schon beim Mangel eines lehnsfähigen Sohnes eintrat. Wesshalb wurde denn von staufischen Königen das erledigte Herzogthum Baiern an den Babenberger Leopold, dann, nachdem es etwas über Jahr und Tag ledig gewesen war, an dessen Bruder Heinrich, endlich 1180 an den Wittelsbacher gegeben, da es doch die staufischen Besitzungen so trefflich hätte abrunden können? Wesshalb geschah dasselbe bei so manchen andern erledigten Fürstenthümern? Was Schwaben insbesondere betrifft, so wird sich einmal das Bestehen des allgemeinen Satzes doch durch vereinzeltes Nichtbeachten nicht in Frage stellen lassen; weiter aber gibt Schwaben, bei seinen besonderen Beziehungen zum Königshause gewiss das ungeeignetste Beispiel für die Nichtbeachtung jenes Satzes; gerade die formellen Verleihungen selbst an unmündige Staufer dürften mehr den allgemeinen Rechtsgrundsatz bestätigen, als der Umstand, dass das Herzogthum nicht immer verliehen war, ihn entkräften kann. Da gäbe es viel geeignetere Beispiele, so das der Mark Meissen, welche K. Heinrich, als sie 1195 durch den Tod des

kinderlosen Markgrafen Albert heimfiel, nicht dem Bruder lieh,

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_136.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)