Seite:Ficker Entstehung Sachsenspiegel 139.jpg

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nicht blos zeitweise, wie unter den Staufern, sondern dauernd dem Reiche ledig blieb. Wenn daher in irgend einer Zeit des dreizehnten Jahrhunderts der Satz des Ssp. den tatsächlichen Zuständen nicht entsprach, so war das vorzugsweise unter K. Rudolf der Fall; wie kann man nun so bekannten, theilweise gerade das von H. v. D. hervorgehobene Schwaben betreffenden Thatsachen gegenüber behaupten, nur in dieser spätern, nicht aber in der staufischen Zeit habe jener Satz gegolten?

Es ergibt sich vielmehr umgekehrt, dass die Bestimmungen des Ssp. beim Vergleiche mit dem Swsp. eher auf einen frühern Zustand hindeuten. Der Satz, dass der König kein Fahnlehen in seiner Hand behalten soll, blieb wohl lange trotz der Ausnahmen in Kraft und findet sich überall übereinstimmend in den Rechtsbüchern; in späteren Jahrhunderten musste sich freilich der König in der Wahlkapitulation ausdrücklich verpflichten, grössere heimfallende Lehen nicht wieder zu verleihen, sondern zum Nutzen des Reiches einzuziehen. Dagegen verlor der entsprechende Satz, dass der Fürst keine Grafschaft ledig halten soll, schon im dreizehnten Jahrhunderte mindestens thatsächlich seine Geltung. Nun hält aber der Ssp. überall fest am strengen Rechte; auch der Swsp. verlangt im Lhr. 133, genau dem Ssp. folgend, Wiederverleihung der in ein Fahnlehn gehörigen Grafschaft binnen Jahr und Tag; im Ldr. 124 dagegen übergeht er, doch wohl veranlasst durch das inzwischen völlig ausgebildete entgegenstehende Herkommen, die Pflicht des Fürsten, obwohl diese in der ihm vorliegenden Stelle Ssp. (Dsp.) 3, 53 § 3 erwähnt wird, und hebt nur die des Königs hervor. Und ein ähnliches Verhältniss habe ich fast überall gefunden, wo ich staatsrechtliche Bestimmungen, in welchen der Swsp. vom Ssp. abweicht, mit den tatsächlichen Zuständen verglich.

XVI.

Fragen wir nach dem Resultate unserer Erörterungen, so ergab sich, dass wir mit gutem Grunde die Entstehung des Ssp. in die Zeit zwischen 1224 und 1232 setzen dürfen, für eine noch engere Begränzung aber die vorhandenen Hülfsmittel

keine genügenden Anhaltspunkte zu bieten scheinen. Eine solche

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_139.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)