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Viertes Kapitel.
Vom babylonischen Turm und der Sprachenverwirrung.

(1.) 109 Noë hatte drei Söhne, Sem, Japheth und Chamas, die hundert Jahre vor der grossen Flut geboren waren. Sie stiegen zuerst vom Gebirge in die Ebene hinab, beschlossen da zu wohnen und beredeten auch andere, die aus Furcht vor der Flut die Ebenen mieden und ungern die Gebirge verliessen, ihnen vertrauensvoll zu folgen. 110 Die Ebene, wo sie dieselben zuerst hinführten, heisst Sennaar. Obgleich nun Gott ihnen befahl, um der Vermehrung der Menschen willen sich in anderen Gegenden anzusiedeln, damit sie nicht unter einander in Streit gerieten und durch Bebauung grösserer Flächen reichere Ernten erzielten, gehorchten sie ihm in ihrem Unverstande nicht und gerieten ins Elend. 111 Und als sich ihre Jugend sehr vermehrte, gab ihnen Gott wiederum den Rat, sie in Kolonien zu verpflanzen. Sie aber, im Glauben, den Genuss des Lebensglückes nicht Gottes Güte, sondern eigener Kraft zu verdanken, gehorchten Gott wiederum nicht. 112 Ja, sie wähnten sogar, er wolle sie nur darum in andere Wohnsitze locken, um sie zerstreuen und leichter unterdrücken zu können.

(2.) 113 Zu dieser Verachtung und Verhöhnung Gottes verleitete sie Nebrod, der Enkel Chamas’, des Sohnes Noës, denn er war kühn, und seiner Hände Kraft gross. Dieser überredete sie zu dem Wahn, nicht von Gott komme ihr Glück, sondern ihre eigene Tüchtigkeit sei die Ursache ihres Wohlstandes. 114 Und allmählich verkehrte er sein Benehmen in Tyrannei, weil er die Menschen um so eher von Gott abzuwenden gedachte, wenn sie der eigenen Kraft hartnäckig vertrauten. Er wolle, sagte er, sich an Gott rächen, falls er mit erneuter Flut die Erde bedränge, und er wolle einen Turm bauen, so hoch, dass die Wasserflut ihn nicht übersteigen könne. So werde er für den Untergang seiner Vorfahren Vergeltung üben.

(3.) 115 Die Menge pflichtete den Absichten Nebrods bereitwillig bei, da sie es für Feigheit hielt, Gott noch zu

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/30&oldid=- (Version vom 4.8.2020)