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und der überhaupt entschiedenen und thatkräftigen Charakters war, entschloss sich, für das Wohlergehen des Bruders der Gefahr zu trotzen, 140 und sprach: „Unrecht haben wir gegen dich, o Landpfleger, begangen und Strafe verdient, der wir uns alle unterziehen wollen, obgleich nur der jüngste die Schuld trägt. Eigentlich müssten wir seinetwegen an unserer Rettung verzweifeln, aber doch lässt uns deine Güte noch einige Hoffnung hegen und eröffnet uns Aussicht auf Befreiung aus der Gefahr. 141 Sieh daher nicht uns an noch die That, die wir verbrochen, sondern lass walten deine Herzensgüte und Tugend. Den Zorn aber, von dem kleinliche Menschen sich in allen Lebenslagen so leicht hinreissen lassen, weise ab von dir, lasse dich nicht von ihm überwinden und überantworte nicht die dem Verderben, die um ihr Heil nicht selbst Sorge tragen können, dasselbe von dir vielmehr flehentlich erbitten. 142 Denn nicht zum erstenmal zeigst du dich freigebig gegen uns, sondern du hast uns, als wir zu dir kamen, um Getreide zu kaufen, dazu Gelegenheit gegeben und uns so viel davon überlassen, als nötig war, um unsere Familie vor dem Hungertode zu bewahren. 143 Es ist aber kein Unterschied, ob du dich der Darbenden annimmst und sie vor dem Untergang bewahrst, oder ob du die von Strafe freisprichst, von denen die Menschen glauben, dass sie gefehlt haben, und die sie um der Wohlthätigkeit willen beneiden, welche du ihnen erzeigst. Es ist ganz dieselbe Gnade, wenngleich sie in verschiedener Weise erzeigt wird. 144 Erhalte also die, welche du bis jetzt gespeist hast, und rette uns das Leben, wie du uns vor dem Hungertode bewahrt hast. Es ist ebenso gross und bewunderungswürdig, uns das Leben zu schenken, als es durch Freigebigkeit vor dem Untergange zu bewahren. 145 Ich halte dafür, dass Gott dir nur den Weg zur Vermehrung deines Ruhmes hat zeigen wollen, als er uns in dieses Unglück stürzen liess, damit du nämlich ebensoviel Ruhm erlangest durch Vergebung des Unrechtes, das wir dir zugefügt, wie du schon erworben hast durch

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/96&oldid=- (Version vom 4.8.2020)