wohl dreimal so viel, als der Abt von ihr begehrt hatte, und sie hätte sich just auch mit dem dritten Theile begnügt.
Da kam es ihr mit einem Male vor, als drängten sich die spannenlangen Männlein alle freundlich um sie, und jeder nahm zwei, drei Perlen von der Reihe weg, und warf sie ihr in den Schooß. Die Dirne wußte vor Freuden nicht, wie ihr geschah, hätte gerne vor Glückseligkeit laut aufjauchzen mögen, aber die Stimme versagte ihr, und es dauerte auch nicht lange; denn unversehens glitschten ihr die Füße aus auf dem abhängigen, benetzten Grasboden des Ufers, sie bekam das Uebergewicht, und just hielt sie sich noch an einer Birkenwurzel fest sonst wäre sie kopfüber in den Bach gestürzt. Aber der ganze, reiche Schatz der Perlen entfiel der losgelassenen Schürze, und wie Quecksilbertropfen rollten sie unaufhaltsam wieder zurück in die heimischen Fluthen. Margaretha that einen leisen Schrei, darob sie erwachte! Noch däuchte es ihr, als vernehme sie das Geplätscher der Wellen, die zusammenschlugen über den Zwerglein, welche eilig dem versinkenden Horte nachhuschten; als sie aber näher trat an den Bach, da war Alles still und ruhig, und das Wasser rieselte – wie nie gestört – über den klaren Granitsand, und der Mond, der schon hoch am Himmel stand, spiegelte sich auf der dunklen Fläche. Es mochte wohl schon tief in der Nacht seyn. Da wadete das arme Mädchen wieder durch das nasse Moor heimwärts zu ihrem kranken Vater, und gedachte unter Weges mit leiser Wehmuth des tröstenden Traumgesichtes! –
Es ist ein wunderlich’ Geschick; aber gar Mancher, dem Erwas auf dem Herzen lastete, wird es erfahren haben, wie die Sorge dem müden Auge allmählig und unwillkührlich die Lieder zudrückt, und das belastete Herz in Schlummer wiegt, wie eine Mutter. ’S ist wohl auch die Sorge, welche bei uns armseligen Menschenkindern Ammenstelle vertritt, die uns groß zieht in ihren Armen, uns wecket am Morgen, und uns unter Thränen einschlafen macht am Abende! So war denn auch der lange Matheis eingeschlummert mitten in der Angst um sein Kind, das so lange ausblieb, und es mochte ihn wohl sein Kummer bis in den Traum verfolgt haben; denn gerade stöhnte er leise auf, als Margaretha behutsam in die Kammer schlich. Mit besorgter Miene beugte sie sich über den Kranken. Aber als ob der Hauch seines Schutzengels über sein Angesicht hinwehte, so glätteten sich die Falten auf dessen Stirne, und er schlief fort so fest und ruhig, wie seit langem nicht mehr! Da schob sich Grete den gepolsterten Lehnstuhl an des Vaters Bett, und nahm sich fest vor, nun getreulich bei ihm zu wachen, bis er ausgeschlummert. In dieser Absicht wollte sie das Nachtlicht anmachen, aber das letzte Tröpflein Oel im Hause war verbrannt, und der Kienspan verbreitete mehr Rauch, als für den schwerathmenden Vater gut war. So begnügte sie sich denn mit dem hellen, freundlichen Schein des Mondes, der gar heimlich durch die mit Papier geflickten Scheiben in das Kämmerlein hereinlugte. Die Nachklänge ihres Traumes am Perlenbache bewegten ihr Gemüth noch immer tiefinniglich. Aber – als ob es ihr Unrecht däuchte, sich derlei Gauckelbildern hinzugeben, so wandte sie sich nun mit brünstigem Gebete zu ihrem Herrgott, dem alleinigen Helfer aus aller Noth.
Da kündete der Kukuk an der schweren Wanduhr, welche in der Ecke des Zimmers hinter’m Ofen hing, die Mitternachtsstunde. Die Dirne rang mit dem Schlafe, der wie ein bleiern’ Gewicht auf ihren Aeuglein lag. Sie widerstand; aber es flimmerte ihr vor den Blicken, und es kam ihr vor, als schwämme Alles im Zimmer auf den zitternden, silbernen Wellen des Mondlichtes. Sie rieb sich die Augen aus – – still! – hatte sich nicht die Thüre der äußern Stube bewegt? – Es mochte ein Windhauch seyn; doch nein! das Geräusch dauerte fort; Margaretha horchte auf, die Hände auf die Brust gelegt, die ihr zitternd klopfte. Es ward ihr unheimlich zu Muthe! Da klang es. wie leises Trippeln, wie Mäuschentritte im Zimmer; die angelegte Kammerthüre drehte sich langsam in ihren Angeln. Ein banger Schreckensruf entschlüpfte den Lippen des Mädchens, und der Gedanke an die Mordgeschichten der vagirenden Freibeuter hatte ihr den Schlaf schneller, als alles Reiben, aus den Augenliedern weggebannt. Nichts desto weniger glaubte sie noch zu träumen, als die Thüre nun offen war, und die späten Gäste in’s Kämmerlein traten. Sie strengte ihre Aeuglein an, so scharf sie konnte; aber – bei der heiligen Jungfrau vom Kreuzberge! – es waren dieselben freundlichen Zwerglein, die sie im Traume am Perlenbache sah, wie sie leibten und lebten! Noch triefte ihnen das Wasser von den forellenfarbigen, rothgedupften Höslein, die Mützen aber hatten sie von den glattgeschornen Köpfchen abgenommen, und wie Rücksäcke über die Schulter geworfen. Wie sie nun näher kamen, da grüßten sie die Jungfer gar zuthunlich, nahmen die Mützen ab vom Rücken, drinn jedes Männlein drei große, schimmernde Perlen trug, welche noch naß waren von den Fluthen, woraus sie dieselben geholt. Und wie es Greten dazumal im Traume vorkam, so schichteten sie auch jetzt die glänzenden, thauigen Tropfen der Reihe nach auf, und machten dann wieder ihren lustigen Tanz um ihren Schatz. Dabei glitzerten und flimmerten die Perlen, und warfen Strahlen, als wären sie aus dem reinsten Lichte gegossen. Margaretha wußte nicht, wie ihr geschah! Es war ihr träumerisch zu Muthe, und dennoch fühlte sie sich vollkommen wach. Als nun aber aus einen Wink des Perlenkönigs seine kleinen Vasallen näher traten, und nun wieder eine Perle nach der andern dem Mädchen auf die Schürze flog, daß sie dieselben deutlich fühlte: da hielt sie das Tüchlein wohl zusammen, um ein neues Entwischen des kostbaren Schatzes zu verhüten. Dabei kamen ihr die Thränen in die Augen, über das unverhoffte Glück, und sie lachte und weinte zu gleicher
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/103&oldid=- (Version vom 20.11.2016)