das Blut in’s Gesicht, der sich mit dem Angebote an sie wendete, daß sie Platz nehmen sollte auf seinem Wäglein, da er ohnehin gerade nach Cham auf den Markt fahren wollte, und er ihr ein gutes Stück Weg das Geleit geben könnte. Hätte ihr nicht der geistliche Herr zugeredet, sie hätte es nicht über’s Herz bringen können, allein mit diesem Manne den einsamen Weg zurück zu legen, so sehr es auch ihr Herz im Geheimen wünschte. So aber – und der Kaufherr betrug sich auch so sittsam und ehrbar an ihrer Seite, getraute sich selbst schier keine Silbe zu sprechen, und es schien fast, als ob ihn das Gefühl drückte, seiner Wohlthäterin den Dank so lange schuldig geblieben zu seyn. Allmählich aber löste sich ihm doch die Zunge, und er erzählte ihr, daß er in Folge seiner Verwundung noch mehrere Monate daheim fortgesiecht habe, daß er erst diesen Sommer wieder zu Kräften gekommen, und dieses Mal fest Willens gewesen sei, ihren Vater heimzusuchen. Er wolle nun also gleich das Versäumte nachholen, und sie bis in ihre Hütte geleiten. Kaum vermochte Margaretha d’rob ihre Freude zu bergen, und nun gestand auch sie ihm ihrerseits all’ die traurigen Erlebnisse des verwichenen Jahres. Im Ergusse ihres frommen, kindlichen Herzens vermochte sie es nicht, ein Wörtlein zu verschweigen, und so erzählte sie ihm denn auch von ihren kleinen Rettern. Als auf diese Weise die sittsame Maid unbewußt den ganzen Reichthum ihres Gemüthes vor dem Manne entfaltete, an dem sie mit stiller, tiefer Neigung hing, seit sie ihn das erste Mal gesehen: da überkam auch diesem die Ahnung eines Gefühls, das er noch nicht kannte, und das wir Menschenkinder Liebe nennen. Er mochte sich dieß wohl zu Gemüthe gezogen haben; denn als er nach kurzer Rast in des Perlenfischers Hütte von diesem und seinem Töchterlein Abschied nahm, da versprach er auf der Rückkehr wieder zuzusprechen, und dem Kranken ein Heilmittel mitzubringen, das ihm, so Gott es wolle, zu baldiger Genesung verhelfen würde. Was er versprach, hielt er nun dieses Mal wie ein wackerer Mann; aber auch für Margaretha brachte er eine süße Herzensstärkung mit, da er ihr, der armen Dirne, seine Hand treuherzig bot, und ihr verschlug, mit ihm nach Regensburg zu ziehen, so es ihr recht wäre, und als liebende Hausfrau so treu und freundlich für ihn und sein Hauswesen zu sorgen, wie hier.
Es wird wohl kaum der Worte viel bedürfen, um meines Mährleins Ausgang zu erzählen, Margaretha, das glückliche Mädchen, nahm das Angebot an, und binnen acht Tagen wollte der Kaufherr sie und ihren alten Vater nach Regensburg abholen zur Hochzeit. Am Abende des letzten Tages, den sie in ihrem heimischen Kämmerlein zubrachte, und sich bis in die Nacht hinein für den kommenden Tag vorbereitete, war just ein Monat seit jener Nacht verflossen, welche ihr Schicksal so glücklich wendete. Mit frommen Danke gedachte sie dessen. Der Mond aber lugte so freundlich wie dazumal durch die Fensterscheiben; ein leiser Nachtwind wehte über die schlummernde Welt hin, und das gelbe fallende Laub rauschte am Fenster vorüber. Da öffnete sich wieder leise die Thüre, und herein traten in langem Zuge die Perlenmännlein, ihren König an der Spitze. Margaretha war hocherfreut über den Besuch so lieber, bekannter Gäste, bewillkommte dieselben gar herzlich, und hätte ihnen gerne einen Stuhl angeboten, wenn just einer für sie getaugt hätte. Die Zwerglein aber begannen wieder auszupacken, denn sie hatten einen reichen Vorrath milchweißer Perlen in ihren Mützen. Nachdem sie dieselben aufgeschichtet und durch ihren Tanz gefeiet hatten, trat der König hervor mit einem glänzenden Seidenfaden, und wie er die Perlen mit seinem Stäbchen berührte, reiheten sie sich von selbst aneinander, und bildeten die köstlichste Schnur, welche er dem Mädchen zum Brautgeschenke darreichte. Als käme es dem Völklein hart an, sich von ihrem lieben Schützlinge zu trennen, so schieden sie dießmal traurig und still von hinnen. Das Bräutlein aber fühlte in tiefster Seele, wie dem gläubigen Gemüthe die Geisterwelt offen stünde. Sie nahm die Perlenschnur, und trug sie in dankender Erinnerung an die Helfer aus ihrer Noth.
So lange die silberreinen Tropfen an ihrem Halse hingen, wich der Segen nicht von ihrem Hause, und sie lebte ein glückliches, zufriedenes Leben. –
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/105&oldid=- (Version vom 20.11.2016)