in den Himmel. Aber wir müssen uns empfehlen, so leid uns ist, eine so angenehme Gesellschaft so bald wieder zu verlassen, wir können aber den ganzen Transport, welcher immer sehr zahlreich zu seyn pflegt, nicht auf uns warten lassen.“ Darauf nahmen Alle noch einmal zärtlich von einander Abschied, dann fuhren die Teufel mit dem Hexenmeister auf und davon; Martin, Franz und Marie weinten aber drei Tage lang und aßen und tranken nicht, darnach trösteten sie sich aber wieder und hielten am vierten Tage eine große Berathschlagung, wovon sie jetzt leben sollten, besonders wenn die Herren Administratoren sie aus dem Hause werfen sollten.
„Das letztere hätte keine Gefahr,“ meinte Martin, „denn die Wege im Walde seien gar zu schlecht, und wenn die Herren Administratoren hier zu Mittag speisen wollten, so müßten sie sich Alles selbst mitbringen, und das wäre beschwerlich und kostspielig. Du Franz,“ fuhr er fort, „kannst ja so schön Figuren schnitzen und Marie kann stricken und sticken. Wenn dann ein Haufen Arbeiten beisammen ist so trage ich’s zum Verkauf in den nächsten Ort“ – „und versaufe das Geld!“ lachte Franz. „Gewiß nicht,“ versicherte Martin, „höchstens die Hälfte will ich vertrinken.“ Und so machten sie es nun auch in der That mit ihrem Unterhalte; aber gleich das Erstemal, das Martin zu Markte ging, unterhielt dieser sich am besten, denn er vertrank den ganzen Erlös mit Ausnahme der kleinen Summe, wofür er gleich Anfangs Lebensmittel und dergleichen eingekauft hatte. Hier zeigte sich nun aber zuerst die Eigenthümlichkeit der Gabe, welche Martin von Florian empfangen hatte. Jedesmal wenn er sich einen Rausch trank, wurden alle die geschenkten Kleidungsstücke in allen Richtungen enger und kürzer. Da sah es denn bald zu lustig aus, wenn der gute Martin schwer betrunken, mit Lebensmitteln bepackt, vom Jahrmarkt nach Hause wankte. Die Schuhe waren bald so eng, daß der treue Diener bei jedem Schritte Ach und Weh schrie, an die schwarzen Hosen und Strümpfe mußte Marie jedesmal einen Streifen weiter annähen, wie sie ihr beim Verfertigen von ihren eigenen Kleidern übrig geblieben waren, und der schöne Schlafrock konnte bald kaum noch für eine Jacke gelten: Martin besserte sich aber darum doch nicht.
So war Franz mit der Zeit ein Jüngling, Marie eine Jungfrau, und ihre Lage die drückendste von der Welt geworden, als sich folgendes höchst Merkwürdige ereignete.
An einem Frühlingsabende saßen Franz und Marie nach gethanener Arbeit vor dem Hause und warteten mit Sehnsucht auf Martins Rückkehr, denn sie hatten sich seit über acht Tage nicht satt essen können, und doch erschrecklich viel arbeiten müssen.
Nachdem sie eine Weile trüben Gedanken über ihre traurige Lage nachgehängt hatten, wurden sie Beide auf einmal sehr vergnügt. Zufälliger Weise sah nämlich Franz die Marie gerade in demselben Augenblicke an, als Marie den Franz ansah.
Das war nun zwar auch früher schon sehr oft geschehen, das Außerordentliche war aber, daß diesmal bei dieser Gelegenheit Franz dachte: was ist die Marie doch für ein hübsches Mädchen, und zugleich Marie dachte: was ist der Franz doch für ein sauberer Bursche! Nun griff Franz mit seiner Hand nach dem Herzen, weil es ihm auf einmal da ganz kurios war, wie er früher noch nie verspürt hatte, und Marie griff mit ihrer Hand nach ihrem Herzen, weil es ihr da eben so kurios war.
Den ganzen Abend sahen sie sich nun nicht wieder an, obgleich sie wußten, daß es ihnen viel Vergnügen machen würde und wo sie nur konnten, gingen sie sich aus dem Wege, obgleich dem einen, wie dem andern Theile sehr unlustig zu Muthe war, wenn er den andern nicht in der Nähe wußte. So sehr sie sich früher auf die Speisen gefreut hatten, welche Martin mitbrachte, so mußte er jetzt doch allein sein Nachtessen verspeisen, denn Marie hatte sich in ihre Kammer eingeschlossen und dachte, sie wußte selbst nicht woran, und Franz lief wie unsinnig bald lustig singend, bald weinend um den essenden und trinkenden alten Martin herum und quälte diesen, er solle ihm sagen, warum ihm so kurios zu Muthe wäre? Martin ließ sich nun aber unter allen Umständen nie von der guten Gewohnheit abbringen, daß er, wenn er aß und trank, kein Wort sprach. Als er aber damit fertig war und sich in’s Bett gelegt hatte, um seinen Rausch auszuschlafen und sich von dem Drucke seiner engen Kleider zu erholen, da brummte er noch zwischen Traum und Wachen: „ha Narr, was solls seyn, du bist eben verliebt!“ – Aus welcher Rede, gelegentlich bemerkt, hervorzugehen scheint, daß diese wahrhafte Geschichte nicht irgendwo, sondern im lieben Schwabenlande sich zugetragen hat.
„Verliebt! verliebt!“ das Wort regte in Franz ein Meer von unbestimmten Gedanken und Gefühlen aus, aber da half kein Rütteln und kein Schreien, der alte Trunkenbold war nicht wieder zu erwecken. In einer wundersam traurigfröhlichen Stimmung rannte Franz nun im Mondscheine
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/127&oldid=- (Version vom 17.8.2017)