Zwei Löwen gingen einst selband
In einem Wald spazoren,
Und haben da von Wuth entbrannt
Einander aufgezohren.
Da kamen eines Tags daher
Des Wegs zwei Leute, edel,
Die fanden von dem Kampf nichts mehr,
Als beider Löwen Wedel.
Daraus geht nun für Groß und Klein
Die weise Lehr’ hervor:
„Selbst mit dem besten Freunde dein
Im Walde nie spazor!“
Copenhagen. Die Zeit schreitet rüstig vorwärts; sie ist ihren Kinderschuhen entwachsen und erregt die schönsten Hoffnungen. Mit dem Fortschreiten der Zeit erwartet jeder (wie auch ganz natürlich) ein Fortschreiten alles dessen, was in der Zeit existirt, also auch der Musik. Lange Zeit begnügte man sich mit süßem Liebesgirren, mit dem Flöten der Nachtigall und dem Kuhreigen, allein „Anderes wollen andere Zeiten,“ und als die Schäferzeit vorüber war, ertönte der mächtige Klang zusammenschmetternder Schwerter und diesem Klange entsprechende Lieder. Als diese endlich verhallt waren, blieben jedoch die erweckten Leidenschaften zurück, und man hat mit Freuden bemerkt, daß in der Musik einige sehr rühmenswerthe Fortschritte im Ausdrucke der menschlichen Leidenschaften sowohl, als in Nachahmung der empörten Natur gemacht werden; ich will unter anderem nur der hochgehenden See und dem Rollen des Donners Erwähnung thun, in welch' letzterem das Meiste geleistet, und die Natur beinahe noch übertroffen wurde.
Ein Hinderniß steht den jetzigen Componisten im Wege, welches sie hemmt, den oben genannten Weg mit Glück zu verfolgen, und welches viele abschreckt, auszuharren. Dieses längst gefühlte Hinderniß, welches den Componisten unmöglich macht, Ausgezeichnetes zu leisten, besteht in der Unvollkommenheit der Instrumente.
Einige der größten Musiker der Jetztzeit, dieses Uebel wohl erkennend und einsehend, daß ohne Abhülfe desselben nichts Gutes geleistet werden könne, verwandten eines Theils selbst ihre besten Kräfte zur Lösung dieses Problems, andern Theils munterten sie junge Genie’s im Fache der musikalischen Mechanik hiezu auf. Allein ihr ehrenwerthes Streben wurde mit keinem Erfolge gekrönt, und erst einem talentvollen jungen Manne, den wir mit Stolz den Unsern nennen, war es ausbehalten, diese Aufgabe einigermaßen zu lösen und wenigstens dem nothwendigsten Bedürfnisse abzuhelfen. Das Ganze wird wohl am deutlichsten, wenn ich die Worte dieses ausgezeichneten Mannes selbst gebrauche, wie selbe im gelesensten musikalischen Journale unserer Stadt stehen. – Nachdem er zuerst in der Einleitung auseinandersetzt, woran es jetzt noch in der Musik mangle, beginnt er, wie folgt:
Durch die Noth der Musiker resp. Componisten bewogen, überlegte ich oftmals im Stillen, wie dieser wohl abzuhelfen sei, und mein guter Genius flüsterte mir einen Gedanken ein, den ich jetzt schon zum Theil realisirt habe und der die schönsten Früchte verspricht. Der Sohn eines vermögenden Gutsbesitzers, hatte ich Gelegenheit, die mannichfachen Hausthiere zu beobachten, und da ich in jeder Hinsicht tolerant bin, so dehnte ich meine Beobachtungen auch auf diejenigen Thiere aus, welche unter den Zweigen der Eiche ihre Nahrung suchen. Von Natur mitleidig, stets geneigt dem Schwachen beizustehen und den Verachteten zu Ehren zu bringen, war ich ein eifriger Beobachter und Vertheidiger dieser Thiere. Durch einen glücklichen Zufall entdeckte ich, daß unter gewissen Umständen jedes derselben, je nachdem man es auf den Rüssel schlägt oder am Schwanze zieht, einen herrlichen Baß- oder Sopranton von sich gebe. Hierauf gründete ich mein Instrument, welches vollkommen geeignet ist, alle Töne von der wildesten Verzweiflung bis zu den zartesten Tönen der Liebe hervorzubringen. Mehr zu sagen, verbietet mein eigener Vortheil, da ich entschlossen bin, mir hierauf ein Patent geben zu lassen, und ich will hier nur soviel erwähnen, daß zur Auswahl der Stimmen ein feines Ohr und ein richtiger Takt gehört, um den Zeitpunkt nicht zu versäumen, in welchem dieselben wie die eines italienischen Sängers fixiert werden müßen. NB. Die dänische Nationalhymne, welche neulich mit einem solchen Instrumente ausgeführt wurde, war von unbeschreiblicher Wirkung.
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/179&oldid=- (Version vom 29.12.2019)