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Nro. 11.
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Die Kranzbinderin.



Vor den Thüren der Kirchlein und Kapellen, die zwischen den Edelsitzen und Dörfern der Eppaner-Hochebne ausgestreut liegen, finden die Leute häufig Kränze aus Feldwermuth, Heiderich oder ähnlichem Kraut und Laub gewunden. Sie stoßen dann den dürren, unnützen Kram mit den Füßen bei Seite, und murrend oder spottend sagt etwa Einer zum Andern: „Das hat wieder die närrische Lafrenger-Anna gethan.“

So heißt ein ziemlich bejahrtes Weib, das ohne Heimath und Erwerb, seit langen Jahren in den überetscher Gemeinden umherschweift, als eine unschädliche Irrsinnige gilt, und darum noch immer um Gotteswillen da oder dort ein Stück Brod und eine Lagerstätte gefunden hat. Man weiß von ihr wenig mehr, als daß sie eigentlich oben an der Gränze des Nonsberges daheim sei in dem Hochdörflein Lafreng oder Lauregno, wie es die Wälschen nennen, wo die letzten Deutschen wohnen, und sich seit alten Tagen gegen die um sich greifenden Nachbaren tapfer halten bei ihrer deutschen Sprache und ihrem Väterbrauch.

Obwohl Niemand bestimmt weiß, wo sie Tage lang umherschweift, hat man doch nie gehört, daß sie je sich hinauf verirrt habe in ihren Geburtsort und – es ist, als vermöge sie den Weg dahin zurück nimmer finden, als sei sie in eine gebannte Gegend gerathen, aus welcher sie nicht mehr entweichen könne. Desto öfter begegnen ihr die Leute auf freiem Felde und im Walde; am liebsten besucht sie die Gand, einen öden Heidestrich, wo man über Geröll und Busch weit ausblickt nach „dem Holz und dem Berg“, wie die Eppaner die Waldung des Mittelgebirges und die Wand der hohen Felskuppen der Mendel nennen. Auf der Gaisrast beim Bildstöckel flicht sie ihre Kränze, und in der Schürze sie verbergend wandert sie dann umher zu den Bethäuslein der ganzen Gegend, und legt ihre wunderliche Gabe an den Schwellen derselben nieder. Sie wählet mit Vorliebe die einsamsten Kapellen, auch die Hauskirchlein der vielen Herrensitze. An der Thüre des alten schönen Kirchleins Sankt Sebastian, unweit dem ritterlichen Hause von Englar, hab’ ich selber einmal einen Bündel solcher Wermuthkränze gefunden, und damals ließ ich mir dieß wenige

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Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/85&oldid=- (Version vom 24.7.2016)