das Gedeihen wenig, da sie keinen befruchtenden Schlamm mit sich führen. Aber ein anderer Schatz ruhet in ihrer Tiefe. Auf ihrem Grunde finden sich Muschelthiere in großer Zahl, die nicht selten gar schöne, kostbare Perlen in ihren Schalen enthalten. Die reichen Mönche der Cistercienser-Abtei Walderbach hatten vor mehr denn hundert Jahren das Regale der Perlenfischerei um einen annehmbaren Schilling für längere Zeit gepachtet, und eigene Fischer bestallt, denen es oblag, die Muscheln aus den Perlenbächen zu sammeln. Manch edle Perle wanderte sofort in den Schatz der frommen Väter, und wurde entweder zu einem Marienkrönlein oder sonst einer Zierde der Klosterkirche verwendet, oder an die Goldschmiede und Geschmeidehändler in Regensburg um schweres Geld veräussert. –
Wo in den Gebieten von Frankenberg und Brennberg einer dieser Perlenbäche dem Regen entgegenfließt, stand vor geraumer Zeit die Hütte solch eines Perlenfischers, den man allgemein in der Umgegend den „langen Matheis“ nannte. Die kleinen Zellen des Waldhäusleins boten kärgliches Obdach für die zahlreiche Familie. Das ist in der Pfalz so daheim; je dürftiger der Imbiß, desto mehr hungrige Buben und Dirnen warten darauf. – Unseres Perlenfischers Ehebett hatte der Himmel bereits zum siebenten Male gesegnet, und es war ein Werk der Barmherzigkeit, als die frommen Väter zu Walderbach ihm auch die Jagd- und Waldhut anvertrauten gegen einen Malter Roggen jährlich, und die Halbscheid der Pfandgebühren bei Waldfreveln, welche öfter vorfielen, als man sich’s just denken sollte. Auch war die Gränze in der Nähe, welche die Wildbahn der Herren von Falkenstein von der Walderbacher Jagdrevier trennte, was schon des Wildstandes wegen eine Aufsicht nothwendig machte. Das waren nun aber zwei Aemter, welche selbst für den wackersten und gewissenhaftesten Mann Verführung genug darboten, um so mehr, wenn Einer wie der lange Matheis ein schlimmes Weib und ein hübsches Häuflein Kinder mit Atzung und Kleidung versehen mußte, und dabei eine so karge Löhnung hatte, wie sie in dem Falle die strengen Cistercienser geben. Was Wunder, wenn eben hie und da ein Häslein oder ein junges Reh, welches sich von der Falkensteiner Revier herüber vergangen hatte, und von Gott und Rechts wegen nicht als Klostergut angesehen werden konnte, statt zum Pater Küchenmeister in die Hände der ehrsamen Frau Barbara wanderte, und in aller Stille bestmöglichst zubereitet wurde. Der Jagdaufseher fand darin auch nichts weiter, als eine freisinnige Auslegung seines Rechtes an der Pfandgebührenhälfte, und nahm sofort jedes zweite Stück Wild für seinen eigenen Haushalt in Anspruch, das unbefugt in sein Revier herüberwechselte. Das hätte gerade noch hingehen mögen in Anbetracht der Noth, die unter dem Strohdach hauste und ob der Seltenheit der Fälle. Wo aber der böse Feind einmal einen Finger hat, geht bald die ganze Hand mit in den Kauf! Der lange Matheis hat es gar wohl erfahren, als ihm sein zanksüchtiges Eheweib die Wirthschaft oft zu toll trieb, und er mit dem Vorwurf im Herzen nichts zu entgegnen sich getraute. Es ist ein böses Ding, mit dem Hehler seiner eigenen Vergehen zu rechten. Fiel ihm nun die Zanksucht seines Weibes und der beständige Hader recht schwer auf’s Herze, so ging er hin, und vertrank seinen Aerger, und machte damit die Sache noch schlimmer. Nun wächst zwar in der Pfalz viel Hopfen; aber das Bier, welches man dort braut, ist just nicht das beste in Bayern. Nachgerade behagte es dem Perlenfischer nicht mehr, und er hielt sich dagegen wacker an Kirschbranntwein und Annis, vertrank den ganzen Rest seines Lohnes, dessen größere Hälfte ohnehin in die Tasche der Frau Barbara wandern mußte, oft an einem Tage, und konnte sich doch nicht d’rein fügen, die andern Tage Durst zu leiden. So gewann er es denn endlich über sich, hie und da eine gute Perle auf eigene Faust in den Handel zu bringen. Ein mitleidiger Jude aus dem benachbarten Städtlein Cham begünstigte seine Hantierung, und nahm ihm das veruntreute Gut um den dritten Theil des Werthes ab.
Wer vermag aber den Scharfblick eines Weibes zu täuschen? Frau Barbara merkte alsbald ihres Mannes geheime Handelschaft. Sei es nun, daß sie grollte ob des eigenmächtigen Uebergriffs über die verbrieften Ehepakten, welchen gemäß sich die angehenden Eheleute vollkommene Gütergemeinschaft ausbedungen hatten; oder sei es, daß sie wirklich um das Seelenheil ihres Gesponses besorgt war; kurz – das Schelten und Grollen nahm kein Ende, so lange der Mann daheim war, und sie nannte ihn einen Galgenvogel und Lotterbuben, und was dergleichen Betheuerungen mehr waren. Er ertrug’s eine Weile, ohne ein Wörtlein zu sprechen; alsdann ging er aber von hinnen, und vertrank seinen Ingrimm, um dann seinem Weibe neuen Anlaß zu Aergerniß zu geben.
So dauerte das Ding wohl mehrere Jahre, und der Gram und der Branntwein zehrten an dem langen Matheis, daß er schier zusehends länger und hagerer wurde. Zudem waren nun auch seine Kinder herangewachsen, mehreten die Last des Hauswesens, und er konnte es nicht dahin bringen, daß die Mutter sie in den Dienst schickte. Die Buben führten ein wahres Tagediebleben, nahmen an ihres Vaters Wildfreveln ein gut Exempel, und die Dirnen waren just auch nicht vom besten Schlag. Nur die blauäugige Margaretha, das jüngste Kind im Hause, war aus der Art gerathen, fromm und sittsam, die schönste Perle, so der Fischer aus trüber Quelle gefischt. Unangesteckt von der Rohheit ihrer Mutter und Brüder, und von der Sittenlosigkeit ihrer Schwestern, blühete sie auf wie ein Maiblümlein unter Giftpflanzen, und, obwohl die Versündigung ihres Vaters ahnend, hing sie doch an ihm mit treuer, kindlicher Liebe, da sie zu sehr fühlte, wie nur Gram und Kummer daheim ihn auswärts zum Bösen verleiteten.
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 1). Braun & Schneider, München 1845, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_1.djvu/94&oldid=- (Version vom 20.11.2016)