fort. – „Nichts da“, eiferte Julius: „ich habe Erfahrungen gemacht. Venus schwingt stets den Pantoffel, und ich möchte doch selbst Herr meines Schicksals und meiner Thaten sein.“ – Der kleine Hinkebein lächelte noch skurriler als zuvor. „Du bist herrschsüchtig, mein Guter,“ sprach er: „Aber die Langeweile ist gerade so eigensinnig wie Du. Laß ab vom Kampfe mit ihr. Beliebt Dir vielleicht zum Zeitvertreib ein Bischen zu commandiren? So eben ist hier nebenan ein Feldmarschalls-Dienstchen vakant geworden.“ Julius lächelte beifällig, denn ihm eröffnete sich ein nie geahntes Paradies, und das Koboldchen machte auf sein Kopfnicken hin den nöthigen Hokuspokus.
Die Trommeln wirbelten, die Fahnen flogen und in großer Uniform stand Julius vor dem salutirenden Heere. Er rieb sich die Augen, und konnte auf das wüthende Hurrah! Nur mit einem steifen Bücklinge antworten. Die Obersten und Adjutanten fragten glückwünschend nach seinen Befehlen. Die Generale umstanden ihn mit demüthiger Vertraulichkeit, und seinem Adjutanten, der sich zu ansehnlicherer Länge gestreckt und das ungestaltete Füßlein in einen mächtigen Reiterstiefel verborgen hatte, machten die niederen Staabsoffiziere die Cour. Julius strahlte vor Vergnügen heller als der Stern auf seiner Brust, und das glänzende Waffenspiel, die lärmende Musik, die Feldherrngewalt schienen ihm herrliche Säulen seines künftigen Glückes. Mispelchen, sein wunderthätiger Freund, commandirte aus seinem Munde, lehrte ihm die nöthige Repräsentation, und bald war in allen Gesellschaften nur von dem liebenswürdigen neuen Feldmarschall die Rede. Tausend schöne Augen winkten ihm, tausend weiße Hände boten sich ihm, wie lockende Früchte aus der Ferne dar; er war aber nur allein für seinen hohen Stand eingenommen, und manövrirte und exercirte, daß es eine Lust war. Monate lang hatte das blanke Festleben gedauert, da stellte sich sein Trübsinn wieder ein, den Bemühungen des dankbaren Mispel zum Trotz. – „Das ewige Maschinenwesen!“ brummte Julius öfters in den Bart, und die Soldaten jubilirten, denn nun wurden ihrer Rast- und Ruhetage immer mehrere. – „Du mußt Dich zerstreuen,“ sprach das Teufelchen; „was begehrst Du, kranke Seele?" – „Ach,“ rief Julius, „das Feldmarschalliren wäre schon recht, existirte nur die verdammte Langeweile nicht. Davor schützen aber, wie ich merke, nicht Epaulette, nicht Stern noch Stab. Ich wollte wahrhaftig, es gäbe Krieg. Wo soll der aber herkommen?“ „Will gleich welchen machen,“ tröstete Mispel, klatschte in die Hände, und flugs war der Teufel los, des Königs Manifest über die Gränze, die Marschordre da. „Im Felde ist der Mann noch was werth!“ jauchzte Julius, und ritt seinen Truppen vor auf der Bahn der Ehre und des Ruhms. Das Glück wich nicht von ihm. Mispelchen agirte treu als Adjutant, Spion und Hexenmeister, und eine Schlacht, vorbereitet mit der größten Kunst, sollte den besten Lorbeerzweig zu des Feldmarschalls Ruhmeskrone fügen, als am Vorabend der Erbprinz bei dem Heere eintraf, und seines Vaters Wunsch zufolge, den sogenannten Oberbefehl übernahm. Freilich hatte Julius dennoch Alles zu thun und zu schaffen, und der junge Prinz war noch mit seiner Toilette beschäftigt, als der Feldmarschall schon die Schlacht eröffnete, in eigener Person, auf dem zum Rosse umgewandelten Mispel mehrere glänzende Angriffe leitete, und Wall und Verhau mit Sturm wegnahm. Seine Tapferkeit errang den bedeutenden Sieg; aus war der Kampf, als der Prinz auf dem Felde erschien, und bald nach ihm die väterliche Majestät in der bequemen achtspännigen Kalesche. – „Hast brav gefochten,“ sprach der König mit Freudenthränen, den Sohn umhalsend; „aber so ist es einmal; so erben sie fort in unserm Stamme, die Herrschertugenden. Heil dem Prinzen, dem Sieger, der gleich Cäsar nur kam, sich umsah und überwand.“ – „Heil dem Sieger!“ brüllte das folgsame Heer und Volk, und ein Regen von Orden und Bändern fiel auf des Prinzen wohlwattirte Brust. – „Leidest Du das?“ fragte den versteinerten Feldmarschall sein Roß. – Und er, glühend vor Unwillen, widersprach dem lauten Jubel, forderte Ehre und Lohn für sich, – und erhielt von der Kalesche herab, – die ungnädige Entlassung. – Entrüstet fuhr der König ab, hohnlachend verließen den Gefallenen Offiziere und Gemeine. „Du hast kein Glück als Landgeneral,“ sprach zu dem Zürnenden das Mispelchen; „willst Du’s etwa auf der See tentiren? Einen Admiral habe ich für Dich in der Tasche.“ – Und kaum dachte sich Julius das „Ja“, so war schon Alles geschehen.
Als er die Kanonenschlünde um sich her donnern hörte, alle Schiffe auf der weiten Rhede flaggen sah, die Raaen von Matrosen beladen, wie der Baum von Früchten; als er das Admiralschiff bestieg, und sich auf der großen Treppe von den wichtigsten Unterbefehlshabern empfangen sah, da wurde ihm das Herz weit, und er dankte mit verstohlenem Augenwink seinem treuen Mispel, der in Affengestalt auf dem Geländer saß, und lustig ein Wimpel schwang. – „Gottlob!“ sagte Julius in seiner prächtigen Kajüte zu sich selbst: „Hier ist’s besser. Der bequeme Ueberrock drückt nicht wie die enge Uniform, die Schuhe nicht wie die bespornten Stiefel, und der Jabot, der der Sitte gemäß aus der Weste bauschen muß, dünkt mir angenehmer als der Galanteriekram, den ich früher auf der Brust trug. Und welche despotische Gewalt steht mir hier zu Gebote? Hier auf dem Meere ist Niemand über mir, und, bin ich am Lande, nur der Senat des freien Volks, dem ich diene, und nicht ein verzärtelter Prinz, oder ein neidischer König. Mispelchen habe Dank, hier bin ich glücklich!“ – Mispelchen, der Affenrolle getreu, fletschte die Zähne und lachte possierlich, denn er wußte wohl, daß gar zu bald die Reize der neuen Seewelt für Julius abgeblüht haben würden. – Richtig. Einige Wochen noch, und Punsch und Cigarren schmeckten dem Admiral nicht mehr. Der seemännische Brauch behagte ihm nicht mehr, und er verwünschte seine Instruktionen, die ihm befahlen, als ruhiger Beobachter die freie See zu halten, sich aber durchaus in kein Gefecht einzulassen, ohne fernere Weisung. – „Dort liegen die feindlichen Schiffe!“ zürnte er; die Lauerer wagen sich nicht an uns heran, und wir vergehen hier als langweilige Tagdiebe.“ Die Ungeduld
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/94&oldid=- (Version vom 14.10.2021)