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höheren Geisterwelt in Verbindung trat und die Außenwelt mit seinem Innern in lebhaften Zusammenhang gebracht wurde.

Freiligrath hatte in zarter Jugend den vielgestaltigen Orient, den Charakter und die Beschaffenheit der Urwälder Amerika’s und der afrikanischen Wüsten, die Wunder des unfaßbaren Meeres studirt und war in den Feentempel der Natur so tief hineingedrungen, daß er mit einer solchen Farbenpracht und solcher Wahrheit dieselben auszumalen im Stande war, als habe er das Alles gesehen und erlebt. Sein Geist wurde genährt durch die Lektüre der Robinsonaden und der Reisen Le Veillant’s, und sein empfängliches Gemüth bewahrte treu aus der frommen Kinderzeit die Eindrücke, mit welchen ihn das Lesen der Bibel erfüllt hatte. (S. d. Ged. die Bilderbibel.) –

Freiligrath also verließ seinen beschränkten, abgegränzten Wirkungskreis und zog hinaus dorthin, wohin er sich so lange gesehnt hatte, – er zog zum Rheine.

Es war im Herbste 1839, als der Dichter eine Reise an den Rhein machte. Er fühlte sich auf dem Drachenfels mächtig ergriffen von dem Zauber, mit welchem ihm diese Gegend entgegenlächelte und der Wunsch, eine Zeit lang an den Ufern des herrlichen Stromes in poetischer Freiheit und Ungebundenheit zu weilen, wurde bald bei ihm Entschluß. Besonders war es ein kleiner Ort am Rheine, der dem vom Gipfel des Drachenfels hinabschauenden Dichter mit seinen weißen Häusern freundlich entgegenglänzte – Unkel.

Hier ließ er sich häuslich nieder, und nicht lange, so hatte er Gelegenheit, ein romantisches Denkmal in dieser freundlichen Gegend vom Untergang zu retten und der damals noch nicht ganz verbannten Romantik seinen Dichterzoll beizusteuern. In der Sylvesternacht hatte ein heftiger Sturm den altersgrauen Zeugen der Heldenzeit, den Rolandsbogen, weggerissen.

Empfohlene Zitierweise:
Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/15&oldid=- (Version vom 18.8.2016)