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Das war den Morgen auf die Nacht, in der man uns erschlagen;
So habt ihr triumphirend uns in unsre Gruft getragen!
Und wir — wohl war der Schädel uns zerschossen und zerhauen,
Doch lag des Sieges froher Stolz auf unsern grimmen Brauen.
Wir dachten: hoch zwar ist der Preis, doch ächt auch ist die Waare!
Und legten uns in Frieden drum zurecht auf unsrer Bahre.

Weh’ euch, wir haben uns getäuscht! Vier Monden erst vergangen,
Und Alles feig’ durch euch verscherzt, was trotzig wir errangen!
Was unser Tod euch zugewandt, verlottert und verloren –
O, Alles, Alles hörten wir mit leisen Geisterohren!
Wie Wellen braus’t an uns heran, was sich begab im Lande:
Der Aberwitz des Dänenkriegs, die letzte Polenschande;
Das rüde Toben der Vendée in stockigen Provinzen;
Der Soldateska Wiederkehr, die Wiederkehr des Prinzen;
Die Schmach zu Mainz, die Schmach zu Trier; das Hänseln, das Entwaffnen
Allüberall der Bürgerwehr, der eben erst geschaffnen;
Die Tücke, die den Zeughaussturm zu einem Diebszug machte,
Die selber uns, die selbst das Grab noch zu begeifern dachte;
So weit es Barrikaden gab, der Druck auf Schrift und Rede;
Mit der Versammlung freiem Recht die täglich frechre Fehde;
Der Kerkerthore dumpf Geknarr im Norden und im Süden;
Für Jeden, der zum Volke steht, das alte Kettenschmieden;
Der Bund mit dem Kosackenthum; das Brechen jedes Stabes,
Ach, über euch, die werth ihr seid des lorbeerreichsten Grabes:
Ihr von des Zukunftdranges Sturm am weitesten Getragnen!
Ihr — Junikämpfer von Paris! Ihr siegenden Geschlagnen!
Dann der Verrath, hier und am Main im Taglohn unterhalten –
O Volk, und immer Friede nur in Deines Schurzfells Falten?
Sag an, birgt es nicht auch den Krieg? den Krieg herausgeschüttelt!
Den zweiten Krieg, den letzten Krieg mit Allem, was dich büttelt!
Laß Deinen Ruf: „die Republik“ die Glocken überdröhnen,
Die diesem allerneuesten Johannisschwindel tönen!

Umsonst! Es thäte Noth, daß ihr uns aus der Erde grübet,
Uns wiederum auf blut’gem Brett hoch in die Luft erhübet!

Empfohlene Zitierweise:
Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/48&oldid=- (Version vom 17.8.2016)