Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/59

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Umschwung hörte, faßte es ihn mächtig und er glaubte, der Himmel habe sich in Deutschland geöffnet. Er kam hierher und in diesem Drange schrieb er das Gedicht. Wer will dem Dichter versagen, seinen Ingrimm in einigen Versen Luft zu machen?

 Ich schließe mit Schiller's schönen Worten, indem ich hoffe, daß unser Dichter aus dem Saale frei ausgehe:

(Schillers Huldigung der Künste.)
Poesie.

Mich hält kein Band, mich fesselt keine Schranke,
Frei schwing’ ich mich durch alle Räume fort.
Mein unermeßlich Reich ist der Gedanke,
Und mein geflügelt Werkzeug ist das Wort,
Was sich bewegt im Himmel, und auf Erden,
Was die Natur tief im Verborgnen schafft,
Muß mir entschleiert und entsiegelt werden,
Denn nichts beschränkt die freie Dichterschaft.

 Präs. Haben Sie, Hr. Freiligrath, noch was zu sagen?

 Freil. Nein.

 Präs. Ich erkläre die Verhandlung für geschlossen.

Der Präsident stellt nun alles sehr klar und fußbar [WS:faßbar] zusammen, was für und was gegen die Anklage vorgebracht worden und macht die Herren Geschworenen nochmals auf den rechten Begriff des „direkt“ aufmerksam, da wir noch nicht, wie in Frankreich, die verschiedenen Kategorien dieses Begriffes kennen gelernt und in Anwendung gebracht. Nachdem er nun noch resumirt, was die Vertheidigung geltend gemacht, wendete er sich an die Geschworenen und verliest ihnen die Frage, welche wörtlich mit dem Schlußpassus des Anklageaktes übereinstimmt und überreicht dieselbe ihnen. Er erklärt ihnen, daß 7 Stimmen einfache Stimmenmehrheit sei.

Die Geschworenen begeben sich in das Berathungszimmer und nach einer viertelstündigen Berathung treten die Geschworenen wieder ein und der Erste derselben erklärt, indem er die Hand auf’s Herz legt, und nachdem er die gestellte Frage vorgelesen „Nein, der Angeklagte ist nicht schuldig.“ Kaum

Empfohlene Zitierweise:
Stenographischer Bericht des Processes gegen den Dichter Ferdinand Freiligrath. Düsseldorf 1848, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Freiligrath-Prozess.djvu/59&oldid=- (Version vom 17.8.2016)