wurde, wie diese nur verlieren konnte, daß der Halsschnitt kein Schächtschnitt gewesen und auch der Mord nicht mit einem Schächtmesser ausgeführt ist. Wie die medizinischen Sachverständigen bekundet haben, ist sofort auf’s Eingehendste untersucht worden, ob ein Lustmord vorliegt, hierfür haben sich aber keine Anhaltspunkte ergeben.
Ich komme nun zu dem Hauptpunkt, der wesentlich zur Erhebung der Anklage Veranlassung gegeben hat, es ist das die Aussage des Zeugen Mölders. Ich bemerke, daß die Staatsanwaltschaft auf dem Standpunkt steht, daß die Anklage auch dann aufrecht zu erhalten ist, wenn das Motiv des Mordes nicht nachgewiesen ist und ich muß bekennen, die Aussage des Zeugen Mölders ist auch heute bei der Ortsbesichtigung nicht erschüttert worden. Die Aussage des Zeugen Mölders steht aber auch nicht allein, zwei Knaben unterstützen dieselbe. Da ist zunächst der Knabe Stephan Kernder. Dieser soll zu seinen Eltern gesagt haben: er habe gesehen, wie Frau Buschhoff den kleinen Hegmann in das Haus gezogen hat. Allein der Knabe Kernder hat einmal dies seinen Eltern erzählt eine volle Woche nach dem Morde, und andererseits hat sich der Knabe trotz aller Bemühungen nicht vernehmen lassen. Endlich ist zu erwägen, daß der Knabe, als ihn die Schwester des kleinen Hegmann fragte, ob er nicht wisse, wo ihr Brüderchen sei, gesagt hat: „Der ist nach den Kirschen gegangen“. Wir können auch nicht wissen, was der Knabe seinen Eltern gesagt hat, was sie selbst hinzugesetzt haben u. s. w. Da wir auch den Knaben nicht selbst gehört haben, so können wir dessen Aussage kein Gewicht beilegen. Ich komme zu dem Knaben Gerhard Heister, der uns auch heute gezeigt, in welcher Stellung er auf dem Prellstein gesessen hat. Aber auch dieser Knabe hat erst zwei Wochen nach dem Morde seine Wahrnehmungen mitgetheilt, nachdem die Mölders’sche Aussage längst bekannt war. Es wird deshalb auf die Aussage des Knaben Heister auch kein Gewicht zu legen sein. Allein trotzdem halte ich den Mölders für vollständig glaubwürdig. Es ist richtig, Mölders trinkt gerne Schnaps, und an dem Tage, als er das erste Mal zu dem Herrn Amtsrichter ging, hatte er vielleicht schon verschiedene Schnäpse getrunken, aber an dem Vormittage, an dem er seine Wahrnehmungen machte, hatte er nur einen Schnaps getrunken. Ich muß nun bekennen, wenn der Angeklagte nicht in vollem Umfange und in überzeugendster Weise sein Alibi nachgewiesen hätte, würde ich keinen Anstand nehmen, auf
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/128&oldid=- (Version vom 31.7.2018)