während eine ganze Fülle von Blut gefunden wurde. Ich wiederhole: ich stehe nicht auf dem Standpunkt des Herrn Landgerichtsraths Brixius, sondern ich halte den Mölders für einen durchaus glaubwürdigen Zeugen, allein der Alibi-Beweis des Angeklagten bringt mich zu dem Schluß, daß Mölders sich trotz alledem geirrt hat.
Der Versuch, ein Kind in das Buschhoff’sche Haus zu ziehen, gelang wohl heute. Allein es darf nicht außer Acht gelassen werden, daß die Wirklichkeit und der Versuch, den ein Schwurgericht, das etwas Bestimmtes sehen will, anstellt, zweierlei Dinge sind. Jedenfalls hat sich Mölders geirrt. Es ist einmal möglich, das Kind ist in den Porteweg gezogen worden, oder auch, daß das Ullenboom’sche Kind, das Mölders ebenso wenig wie den kleinen Hegmann kannte, in das Buschhoff’sche Haus gezogen wurde.
Ich komme nun nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme zu der Ueberzeugung, daß dem Buschhoff die That nicht nur nicht nachgewiesen ist, sondern daß die Verhandlung seine volle Unschuld ergeben hat.
Nun wird man sagen: „Es ist doch ein Mord geschehen, wer ist der Thäter?“ In dieser Beziehung hat leider die Verhandlung keinerlei Anhaltspunkte ergeben, aber sie hatte doch wenigstens das Resultat, daß die Unschuld des Buschhoff nachgewiesen wurde. Ich beantrage daher aus voller Ueberzeugung das Nichtschuldig und gebe mich der Hoffnung hin, daß die Verhandlung ganz besonders beigetragen haben wird zur Befestigung des Glaubens an die Unparteilichkeit und Gerechtigkeit der preußischen Richter.
(Halblautes Bravo im Auditorium.)
Erster Staatsanwalt Baumgard: Es dürfte Ihnen bekannt sein, meine Herren Geschworenen, daß ich von den verschiedensten Seiten in der unqualifizirbarsten Weise verdächtigt und geschmäht worden bin. Ich war bisher genöthigt, zu schweigen. Ich würde jetzt Gelegenheit nehmen, diese Angriffe zurückzuweisen, allein der Oberstaatsanwalt hat in so klarer und eingehendster Weise den Thatbestand Ihnen vorgeführt, daß ich es unterlassen kann, auf die Angriffe zu antworten. Ich überlasse daher Ihnen das Urtheil über meine Person und meine amtliche Thätigkeit. Ich werde sofort zur Sache übergehen und muß bemerken, daß die verschiedenen Verdachtsmomente, die gegen den Angeklagten in’s Feld geführt wurden, sich in ein Nichts aufgelöst haben. Daß einige Leute den Angeklagten am Peter-Paulstage aufgeregt gesehen haben, ist auf ganz
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/130&oldid=- (Version vom 31.7.2018)