Geh. Medizinal-Rath Professor Dr. Pellmann bekundet: Die Vermuthung, daß der ermordete Knabe durch Einschüchterung willenlos und sprachlos geworden sei, habe wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Um dies genau festzustellen, sei es nothwendig, die gesammte geistige und körperliche Beschaffenheit des Kindes zu kennen.
Es tritt alsdann eine längere Pause ein.
Nach Wiedereröffnung der Verhandlung wird die Mutter des ermordeten kleinen Hegmann, Frau Schreinermeister Hegmann, als Zeugin vernommen. Diese bekundet: Der kleine ermordete Johann sei ein kräftiges, gut genährtes Kind gewesen. – Auf Befragen des Geh. Medizinal-Rath Professor Dr. Pellmann bekundet die Zeugin, daß das Kind sehr gutmüthig, und niemals störrisch war. Wenn man das Kind scharf ansah, habe es geweint. Am Peter-Paulstage, dem Tag des Mordes, sei sie in die Messe gegangen; letztere sei gegen halb 10 Uhr Vormittags ausgewesen. Als sie aus der Messe gekommen war, sei das Kind bereits angezogen gewesen. Gegen halb 11 Uhr habe sie ihren Kindern Butterbrode zurecht gemacht, das kleine Joanchen sei aber nicht nach Hause gekommen. Als das kleine Joanchen auch zum Mittagessen nicht nach Hause gekommen sei, habe sie Angst bekommen und das Kind in der ganzen Stadt und auch auf der Chaussee gesucht, da sie der Meinung gewesen, das Kind sei auf der Chaussee Kirschen suchen gegangen.
Gegen halb 6 Uhr Abends sei sie bei dem Buschhoff’schen Hause vorüber gegangen. Frau Buschhoff habe vor der Thür gestanden. Sie habe der Frau Buschhoff mitgetheilt, daß sie ihr Kind nicht finden könne. Darauf habe Frau Buschhoff geantwortet: Sie werden das Joanchen schon noch finden, beten Sie nur ein Vaterunser. Sie sei darauf nach Hause gegangen und habe eine Kerze des heiligen Antonius angezündet. Kaum sei dies aber geschehen gewesen, so habe sie die Nachricht erhalten, daß ihr Kind in der Küppers’schen Scheune geschlachtet worden sei.
Die Zeugin fährt hier weinend fort. Es kamen verschiedene Leute und auch Buschhoff, seine Frau und sein Sohn Siegmund. Mein Mann bekam einen Ohnmachtsanfall, Buschhoff hielt ihn fest, und da ich auch sehr bald in Ohnmacht fiel, so ließ mir Buschhoff ein Brausepulver holen. Buschhoff wollte das Brausepulver bezahlen, meine alte verstorbene Tante hat es aber nicht gelitten, und auch schließlich dem Buschhoff und seinem Sohne die Thür
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)