bereits am 3. Juli 1891 vernommen worden. Damals haben Sie mit vollster Bestimmtheit bekundet: Unter den Kindern befand sich der kleine Johann Hegmann. – Sie wurden gefragt, ob Sie auch die anderen Kinder kannten. Da sagten Sie, ich glaube, den Stephan Kernder gesehen zu haben. Es wurde Ihnen nun der Stephan Kernder vorgeführt. Da sagten Sie, mit Sicherheit kann ich nicht sagen, ob dieser Knabe dabei war, Johann Hegmann war aber ganz bestimmt dabei, den kannte ich von früher? – Zeuge: Dessen erinnere ich mich nicht. – Präs.: Kannten Sie den Hegmann? – Zeuge: Jawohl. – Präs.: Wie kommt aber eine solche Aussage ins Protokoll? – Zeuge: Ich war damals in zu großer Aufregung. – Auf Antrag des Staatsanwalts wird Bürgermeister Schleß vernommen. Dieser bekundet, daß der Zeuge geistig nicht ganz intakt sei.
Es erscheint alsdann als Zeuge Steinmetz Wesendrup. Als der Präsident zur Vereidigung des Zeugen schreiten will, beantragt der Vertheidiger Rechtsanwalt Gammersbach: auf Grund des § 56 alinea 3 der Straf-Prozeß-Ordnung, den Zeugen uneidlich zu vernehmen. Der erwähnte Paragraph lautet: „Zeugen, die der Theilnahme, Begünstigung u. s. w. verdächtig sind, dürfen nicht vereidigt werden“. Selbstverständlich bezieht sich diese Gesetzesbestimmung auch auf diejenigen Zeugen, die der Thäterschaft verdächtig sind. Nun schwebt gegen den Zeugen ein Verfahren wegen Verdachts, den Johann Hegmann ermordet zu haben. Dieser Verdacht gründet sich auf die Aeußerung des Zeugen zu dem Siegmund Buschhoff: „Das sind die Sattfresser, ich werde aber dafür sorgen, daß sie keinen Schabbes mehr feiern.“ Vielleicht hat der Erste Staatsanwalt die Güte, zu bestätigen, daß gegen den Zeugen das erwähnte Verfahren schwebt.
Staatsanwalt: Es schwebt allerdings gegen den Zeugen das erwähnte Strafverfahren. Wir haben es aber hier mit dem Strafverfahren gegen Buschhoff zu thun, der § 56 alin. 3 der Straf-Prozeßordnung kann mithin auf den Zeugen keine Anwendung finden.
Verth. Rechtsanwalt Gammersbach beruft sich auf eine Reichsgerichtsentscheidung und beantragt, zum Mindesten vorläufig von der Vereidigung des Zeugen Abstand zu nehmen.
Der Gerichtshof beschließt, den Zeugen vorläufig uneidlich zu vernehmen. – Der Zeuge bekundet alsdann auf Befragen des Präsidenten: Er habe für den Angeklagten in
Hugo Friedländer: Der Knabenmord in Xanten vor dem Schwurgericht zu Cleve vom 4. bis 14. Juli 1892. W. Startz, 1892 Cleve, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Der_Knabenmord_in_Xanten_(1892).djvu/47&oldid=- (Version vom 31.7.2018)