Seite:Friedlaender-Der Knabenmord in Xanten (1892).djvu/8

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ich nach Hause und habe zunächst gebetet und eine Tasse Kaffee getrunken. Ich hatte an diesem Tage, dem Todestage meines Vaters, bis halb 1 Uhr gefastet. Gegen 1 ¼ Uhr habe ich mit meiner Familie zu Mittag gespeist und alsdann einen kleinen Mittagsschlaf gehalten. Gegen 3 Uhr Nachmittags hat mich meine Tochter mit den Worten geweckt: „Vater, steh’ auf, die Leute versammeln sich schon an der Pumpe“. Am Peter-Paulstage versammeln sich gewöhnlich die Bürger in Xanten, setzen sich um die Pumpen herum, trinken Bier und besprechen verschiedene Angelegenheiten. Man nennt das „Pumpen-Kirmes“. Ich stand auf, ging zur Pumpen-Kirmes und kehrte gegen 5 Uhr Nachmittags in meine Wohnung zurück. Mehrere Bekannte baten mich, zu Schaut mit Kegeln zu kommen. Nach einigem Widerstreben leistete ich dieser Aufforderung Folge. Etwa gegen halb 7 Uhr brachte ein Mann die Nachricht in die Schaut’sche Wirthschaft: in der Küppers’schen Scheune sei der kleine Johann Hegmann ermordet aufgefunden worden. Ich begab mich sofort nach Hause und ging mit meiner Frau und meinem Sohne Siegmund zu den Eltern des kleinen Hegmann. Diese wohnten in meiner nächsten Nachbarschaft, und wenn Jemand selbst Kinder verloren hat, dann kann der den Schmerz der Eltern ermessen, wenn ihnen ein Kind in dieser Weise ermordet wird. Wir trösteten die unglücklichen Eltern. Der Frau Hegmann, die sich in hochschwangerem Zustande befand und vor Schmerz förmlich ohnmächtig wurde, ließ ich schleunigst ein Brausepulver holen. Gegen halb 8 Uhr Abends begab ich mich in die Synagoge zum Abendgebet und kehrte aus derselben gegen halb 9 Abends in meine Wohnung zurück. – Nach einer kurzen Pause erklärt der Erste Staatsanwalt Baumgard: Er könne den Geschworenen schon jetzt bemerken, daß die in großen Zügen von Buschhoff gemachte Erzählung über seinen Aufenthalt am Tage des Mordes, von den Zeugen im Großen und Ganzen bestätigt worden ist.

Präs.: Ich will den Herren Geschworenen bemerken, daß die Anklage als muthmaßliches Motiv des Mordes nur den Umstand angiebt: der Angeklagte habe die That begangen, weil der kleine Hegmann ihm seine Grabsteine beschädigt habe. Im Uebrigen haben die medizinischen Sachverständigen festgestellt, daß der Mord, angesichts der Leichenstarre, mindestens 6 Stunden vor Auffindung der Leiche stattgefunden haben müßte.