Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 10 (1914).djvu/43

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

der Zeuge die Möglichkeit zu, daß der Vorgang ihm nicht mehr erinnerlich sei.

Hierauf wurde Frau Auguste Budnick (Pillau) als Zeugin in den Saal gerufen. Diese gab an: Ich bin die leibliche Schwester der Angeklagten, ich will aber Zeugnis ablegen. Eines Tages kam ich mit meinem Bruder und meiner Schwester in der Zentralhalle hierselbst zusammen. Meine Schwester kam mit dem Referendar Wolff in die Zentralhalle. Ich sagte meiner Schwester, daß ich ihr etwas Wichtiges zu sagen habe, ich könne ihr das aber nicht in Gegenwart eines Fremden sagen. Meine Schwester versetzte: Was du mir zu sagen hast, kann auch mein Bräutigam hören. Ich sagte nun zu meiner Schwester: Es ist mir bekannt, daß Rieß deinen Mann erschossen hat und du ihn angestiftet hast.

Meine Schwester war sehr entrüstet darüber und sagte: Ich solle nicht derartige Redensarten aufbringen. Ich sagte zu meiner Schwester: sie habe doch meinem Bruder Hermann ein Geständnis gemacht. Meine Schwester bestritt dies. Am folgenden Tage ließ mein Bruder Hermann den Referendar Wolff zu sich ins Kontor bitten. Mein Bruder sagte in meiner Gegenwart zu Wolff: Es ist Ihnen doch bekannt, daß meine Schwester den Rieß angestiftet hat, ihren Mann zu erschießen? Wolff sagte: Das weiß ich. – Und trotzdem wollen Sie meine Schwester heiraten? fragte mein Bruder. Jawohl, ich werde sie heiraten, sagte Wolff. August Rosengart kam zu mir nach Pillau und sagte mir, er wolle Anzeige erstatten, sobald die Mutter den Wolff heirate, ich habe aber davon abgeraten. Nachdem meine Schwester verhaftet war, bat mich Wolff: wenn ich vor Gericht als Zeugin erscheine, dann solle ich mein Zeugnis verweigern, da, wie mir bekannt sei, auch mein Bruder Hermann verdächtigt werde. Ich sagte sofort zu Wolff: Ein Verdacht gegen meinen Bruder Hermann ist vollständig unbegründet, dieser kann das schon seiner großen Kurzsichtigkeit halber

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)