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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 10 (1914).djvu/54

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

kam Gendarm Pfau auf den Gutshof geritten. Alsdann trafen die Geschworenen, der Erste Staatsanwalt, die Verteidiger, die geladenen Zeugen ein. Endlich rollte eine elegante Equipage, mit zwei schönen Rappen bespannt, daher. Ein uniformierter Gefängnisaufseher mit Seitengewehr entstieg der Equipage. Im Fonds des geschlossenen Wagens bemerkte man zwei Frauengestalten, es waren dies die Angeklagte und eine Gefängnisaufseherin. Frau Rosengart trug einen langen schwarzen, sehr eleganten Plüschmantel. Ein moderner hellgrauer Hut mit schwarzen, breiten Bändern bedeckte den Kopf. Sie sah wohl sehr blaß aus, man konnte sich aber nur schwer vorstellen, eine Frau vor sich zu sehen, die der Anstiftung zum Morde angeklagt ist. Viel eher gewann man den Eindruck, als komme die „gnädige Frau“ von einer Vergnügungspartie aus Königsberg zurück. Mit geradezu bewunderungswerter Ruhe sah sich die Angeklagte in ihrem Gutshof um, als sie aus dem Wagen stieg. Sofort näherte sich ihr ihr ältester Sohn Karl, ein hochaufgeschossener, schlanker, hübscher, junger Mann, das getreue Ebenbild seiner Mutter. Der arme Mensch, der bereits lange Zeit in der Königsberger Klinik zugebracht hatte, konnte sich nur mühsam, hinkend, auf einem Stock sich stützend, fortbewegen. Herzlich begrüßte er seine Mutter. Gleich darauf kam auch die kleine, recht schick gekleidete Olga auf die Mutter zugeeilt. Herzlich, ja zärtlich war auch diese Begegnung zwischen Mutter und Tochter. Zwei kleinere Knaben winkten der Mutter durch die Scheiben eines zu ebener Erde belegenen Zimmers freundlich zu. Die Dienstmädchen, Instleute, Kutscher eilten herbei und reichten ihrer Herrin in herzlicher Weise die Hand. Nur der dreizehnjährige August, ein stämmiger, für sein Alter sehr großer Mensch, der sein Zeugnis verweigert hatte, blieb in einiger Entfernung stehen. Er beachtete die Mutter nicht. Hin und wieder sprach er mit seinem Onkel Adameit. Gleich nachdem die Journalisten eingetroffen waren, wurden diese

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/54&oldid=- (Version vom 31.7.2018)