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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

Mann als den Täter. Dieser habe Rosengart erschossen, weil er sie mit Rosengart in flagranti ertappt habe. Auf Antrag der Verteidigung wurde dieser ellenlange, ganz konfus und ungrammatikalisch geschriebene Brief verlesen. In diesem hieß es u. a.: „Geehrter Herr Staatsanwalt! Die Mordgeschichte ist ganz falsch. Frau Rosengart und der arme Inspektor Rieß haben es nicht getan. Ich habe den erschossenen Rosengart sehr geliebt und der Frau Rosengart viel Ärger bereitet. Mein Mann hat uns acht Tage vor dem Tode betroffen und deshalb sofort den Vorsatz gefaßt, Herrn Rosengart zu erschießen. Mein Mann ist drei Wochen darauf in ein fremdes Land gegangen und hat sich dort das Leben genommen. Auch ich bin aus Königsberg fortgezogen. Ich bin ein sehr hübsches Mädchen von seltener Schönheit. (Heiterkeit im Zuhörerraum.) Ich bin extra von Oderberg nach Königsberg gekommen, um Ihnen, Herr Staatsanwalt, zu schreiben, daß Frau Rosengart vollständig unschuldig ist. Mein Mann war klein, dick und hatte einen schwarzen Schnurrbart. Ich kann nicht persönlich in den Gerichtssaal kommen, da ich alsdann auch verhaftet werden würde. Meinem Mann können Sie nichts mehr tun, da dieser sich das Leben genommen hat. Ich habe jedenfalls Herrn Rosengart sehr geliebt! – Verteidiger Justizrat Dr. Sello: Ich bitte den Herrn Vorsitzenden, die anonyme Briefschreiberin aufzufordern, sich zu melden, wenn sie etwa im Saale sei. – Der Vorsitzende entsprach dieser Bitte und bemerkte: Es wäre nur anständig, wenn die anonyme Briefschreiberin sich melden wollte. Mit anonymen Schreiben läßt sich weder die Schuld noch die Unschuld der Angeklagten feststellen.

Der Erste Staatsanwalt teilte hierauf mit, daß ein Rittergutsbesitzer Wilhelm Bahr sich als Zeuge gemeldet habe, der bekunden wolle, daß im Jahre 1896 auf dem Rosengartschen Gute zwei große Hofhunde getötet worden seien, weil sie auf der Jagd gewildert hatten. Er (Erster Staatsanwalt) habe diesen Herrn als Zeugen geladen. – Verteidiger R.-A.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)