Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1 | |
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der Rausch doch schon verflogen war, es kann also dann von einer akuten Betrunkenheit nicht die Rede gewesen sein? – Zeuge: Das ist richtig. – Vert. Rechtsanwalt Lenzmann: Sie erklärten aber vorhin, daß der Mann stark berauscht war und stark nach Spirituosen roch? – Zeuge: Es war das ein süßlicher Geruch, wie er bei Alkoholikern wahrzunehmen ist, deren Rausch schon halb verflogen ist. – Vert.: Dann wollen Sie Ihre vorherige Bekundung, daß der Mann Ihnen total betrunken vorkam, widerrufen? – Zeuge: Ich habe mich so bestimmt nicht ausgedrückt. – Vert.: Das haben Sie doch getan. – Pfarrer Rheindorf, der auf ausdrücklichen Befehl des Kardinal-Erzbischofs Dr. Krementz nach Mariaberg gekommen war, bekundete als Zeuge: Er sei in Mariaberg wie ein Gefangener und Verbrecher behandelt worden. Er sei im Dienste der Mission lange Zeit in Amerika gewesen, habe dort die Cholera und das Malariafieber durchgemacht, er sei infolgedessen furchtbar nervös gewesen. Er habe außerdem an einer Zahnkrankheit gelitten. Der Anstaltsarzt Dr. Chantraine habe ihm Myrrhentinktur verordnet. Da dies nichts half, habe er den Arzt gebeten, zu einem Spezialarzt gehen zu dürfen. Dr. Chantraine habe aber diese Bitte abgelehnt. Er habe Dr. Chantraine außerdem ersucht, mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand, das Kloster verlassen zu dürfen. Dr. Chantraine habe ihm als Antwort den Rücken zugewendet und die Tür hinter ihm zugeschlagen. Er durfte auch das Kloster nicht zwecks Spazierengehens verlassen. Auf seine Beschwerde habe Sanititsrat Dr. Capellmann gesagt: „Die bischöfliche Behörde will es nicht haben.“ Er (Pfarrer Rheindorf) habe nicht nur vollständig unzuträgliche Kost erhalten, sondern es seien während des Essens auch verschiedene Unsauberkeiten und ekelerregende Unappetitlichkeiten vorgekommen. Alle Briefe, sowohl die ankommenden als auch die hinausgehenden, gingen durch die Hände der Brüder. – Kaplan Schröder (Medebach im Sauerlande) bekundete als Zeuge: Er sei als Franziskanerpater
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/107&oldid=- (Version vom 31.7.2018)