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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1
Der falsche Hauptmann von Köpenick, Wilhelm Voigt

das Trinken des Kaffees noch das Telephonieren gestatten. Als der Hauptmann im Zimmer des Bürgermeisters wieder erschien, gestattete er letzterem, den Kaffee zu trinken und auch zu telephonieren. Der Bürgermeister erhielt aber keinen Anschluß. Als der Bürgermeister den Hauptmann nochmals nach dem Haftbefehl fragte, fuchtelte der Hauptmann ihm mit einem großen Schriftstück vor den Augen und sagte: Meine Soldaten sind meine Legitimation. Alles weitere werden Sie auf der Neuen Wache in Berlin erfahren. Ich habe den Befehl, Sie dorthin schaffen zu lassen. Machen Sie keine Schwierigkeiten, ich werde Sie in einem Wagen nach Berlin fahren lassen.

In Köpenick hatte sich inzwischen wie ein Lauffeuer die Nachricht verbreitet: der Bürgermeister und der Oberstadtsekretär seien verhaftet, das Rathaus militärisch besetzt. Sehr bald hatte sich eine vieltausendköpfige Menschenmenge vor dem Rathause angesammelt. Ein Gendarmeriewachtmeister, ein Gendarm und drei Polizeisergeanten waren herbeigeeilt. Zunächst waren diese Beamten bemüht, das Publikum zu zerstreuen, die Straße zu säubern. Danach wollten sie ins Rathaus gehen. Sie hatten jedoch die Rechnung ohne die Soldaten gemacht. Diese hatten den Befehl, ohne Erlaubnis des Hauptmanns niemanden weder in das Rathaus hinein-, noch hinauszulassen. Polizeiinspektor Jäckel, der sich im Rathause aufhielt, wollte den Bürgermeister und Polizeichef um Urlaub bitten, um ein Wannenbad nehmen zu können. Als der Polizeiinspektor hörte, daß der Bürgermeister verhaftet sei und ein Hauptmann der Garde die Verwaltung der Stadt übernommen habe, ersuchte er diesen um Urlaub. Mit einer Handbewegung wurde der Urlaub erteilt.

Der Hauptmann ließ schließlich zwei Wagen holen. Auf Befehl des Hauptmanns wurden Bürgermeister Dr. Langerhans und Frau, der Oberstadtsekretär Rosenkranz und Rendant v. Wiltberg, letzterer als Zeuge, von Soldaten an die Wagen geleitet. v. Wiltberg hatte dem Hauptmann die

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/143&oldid=- (Version vom 31.7.2018)