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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

das sie unaufgefordert dem Zeugen Klühs schenken wollte. Es ist ferner zu erwägen, daß die Angeklagte den Müttern stets den Vorschlag machte, die Kinder gegen eine einmalige größere Abfindungssumme als eigen annehmen zu wollen. Allein nur sehr wohlhabende Leute, denen der Kindersegen versagt ist, pflegen Kinder als eigen anzunehmen, nicht aber Leute vom Schlage der Angeklagten, die sich in steter Geldverlegenheit befunden hat. Die Beweisaufnahme hat zweifellos ergeben, daß die Angeklagte Morphium im Hause gehabt hat. Allein wozu bedurfte es eines solchen Mittels? Ein Handgriff, ein falsches Rücken des Kissens genügt, um solch kleine Wesen vom Leben zum Tode zu befördern. Aber auch der Umstand, daß trotz aller Bemühungen nicht die leiseste Spur von den verschwundenen Kindern zu entdecken war, spricht dafür, daß die Angeklagte die Kinder getötet hat. Man könnte einwenden: einige Kinder, die der Angeklagten übergeben waren, leben noch. Aber nicht der Angeklagten, sondem einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, daß diese kleinen Wesen noch am Leben sind. Es entsteht nun die Frage: Hat die Angeklagte mit Überlegung gehandelt? Wenn ein verschmähter Liebhaber seinen Nebenbuhler aus Eifersucht niedersticht, dann kann man vielleicht sagen, er hat ohne Überlegung gehandelt. Man wird aber nicht behaupten können, die Angeklagte habe die kleinen Wesen ohne Überlegung getötet. Als Frau Wülfing das Kind Blank der Angeklagten wiederbrachte, weil sie kein Kostgeld erhielt, da sagte die Angeklagte: Es ist gut, daß das Kind hier ist, morgen kommt es nach England. In diesem Augenblick hat die Angeklagte zweifellos den Entschluß gefaßt, das Kind zu töten. Es ist allerdings ein bloßer Indizienbeweis, der Ihnen vorgeführt worden ist, er hat aber die Schuld der Angeklagten in vollem Umfange unwiderleglich dargetan. Ich bin überzeugt, Sie werden es mit einer großen Befriedigung empfinden, daß es gelungen ist, die furchtbaren Verbrechen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/173&oldid=- (Version vom 1.8.2018)