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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

traf er in allen diesen Orten mit Fährle, Abter und Lichtner zusammen, die er als Barone, Großindustrielle usw. vorstellte. Fährle wurde allgemein „Herr Kommerzienrat“ tituliert. Eines Abends spielte v. Meyerinck und Lichtner mit einem Offizier. Lichtner gewann, der Offizier verlor etwa 50000 Mark. Als der Offizier schließlich in die Toilette ging, sah er in einem Spiegel, daß v. Meyerinck dem Lichtner einen vorwurfsvollen Blick zuwarf und mit dem Kopf schüttelte. Lichtner, der von Meyerinck zumeist als Baron v. Lichtner und als der Sohn eines österreichischen Großindustriellen vorgestellt wurde, der für seinen Vater in Linden bei Hannover eine große Samtfabrik verwalte, war in Wahrheit ein internationaler Hochstapler. Er hatte in Wien in einem Modewarenhandlungshause gelernt und auch eine Zeitlang als Kommis konditioniert. Er ist aber frühzeitig auf die Bahn des Verbrechens geraten. Er war vielfach wegen Veruntreuung, Hazardspiels, Wuchers und ähnlicher Straftaten mit langjährigem schwerem Kerker, verschärft mit Fasten, bestraft. Er war, gleich allen anderen Angeklagten, verhaftet. Es gelang ihm aber, aus dem Gefängnislazarett zu entfliehen. Erst nach langer Zeit wurde er in Preßburg verhaftet und da er österreichischer Untertan war, in seiner Vaterstadt Wien angeklagt. Ende April 1894 hatte er sich wegen der in Deutschland begangenen Straftaten vor dem kaiserlichen Landesgericht in Wien zu verantworten. Er wurde zu fünf Jahren schweren Kerkers, verschärft mit Fasten an einem Tage jeden Monats, und mit Zulässigkeit von Polizeiaufsicht bestraft. Stamer war ebenfalls entflohen; Freiherr v. Zedlitz war nicht aufzufinden. – Ein ebensolcher Hochstapler wie Lichtner war Fährle. Dieser gab auf Befragen des Vorsitzenden zu, daß er 17 Jahre lang in Österreich, Ungarn, Deutschland, Belgien, Holland, der Schweiz als Roulettebankhalter umhergezogen sei und sich dadurch ein Vermögen erworben habe. In Straßburg (Elsaß) wurde er wegen Diebstahls bestraft; er hatte in Baden-Baden beim Roulettespiel

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/56&oldid=- (Version vom 31.7.2018)