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Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/81

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

ermordet worden ist. Buschhoff hat aber in glaubwürdigster Weise nachgewiesen, wo er zu dieser Zeit gewesen ist, er kann mithin die Tat unmöglich begangen haben. Ich habe bereits gesagt: der Mangel eines Motivs ist es nicht, der die Staatsanwaltschaft veranlassen wird, das Nichtschuldig zu beantragen. Die Staatsanwaltschaft kann die Auffassung des Kriminalkommissars Wolff nicht teilen, wonach Buschhoff den Mord begangen haben könnte, weil ihm der Knabe einen Grabstein beschädigt habe. Dieser winzige Schaden kann den Angeklagten nicht veranlaßt haben, die Mordtat zu begehen.

Auch der Umstand, daß der Angeklagte zu dem Knaben einmal gesagt haben soll: „Du kommst in den Turm“, kann keinerlei Anhaltspunkte für ein Motiv gewähren, denn der Zeuge Wesendrup hat uns bekundet: Buschhoff habe diese Drohung nur ausgesprochen, damit ihm die Knaben die Grabsteine nicht beschädigen sollen. Da eben keinerlei Motiv vorhanden war, so wurde behauptet: es liege ein Ritualmord vor. Bei einem Ritualmord bedarf es keines weiteren Motivs, der Mörder kann ein ganz guter, braver Mann sein – ein Zeugnis, das dem Buschhoff von den meisten Zeugen ausgestellt wurde – er hat aber trotzdem den Mord begangen, weil die Juden entweder zu Heilzwecken oder zu rituellen Dingen Christenblut gebrauchen. Ich habe bereits ausgeführt, daß hierfür nicht die geringsten Anhaltspunkte vorhanden sind. Dieser Glaube wäre auch niemals entstanden, wenn Dr. Steiner nicht begutachtet hätte, es sei in der Scheune kein Blut gefunden worden, während eine ganze Fülle von Blut gefunden wurde. Der Versuch, ein Kind in das Buschhoffsche Haus zu ziehen, gelang allerdings heute. Allein es darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Wirklichkeit und der Versuch, den ein Schwurgericht, das etwas Bestimmtes sehen will, anstellt, zweierlei Dinge sind. Jedenfalls hat sich Mölders geirrt. Es ist einmal möglich, das Kind ist in den Portenweg gezogen worden, oder auch,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/81&oldid=- (Version vom 31.7.2018)