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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Koschemann habe ihn auf den Gedanken gebracht, daß mit dieser Wendung doch etwas anderes gemeint gewesen sei. Er habe es deshalb für seine Pflicht gehalten, Henkmann, der einen sehr gedrückten, heruntergekommenen Eindruck gemacht, noch einmal aufzusuchen. Als er sich am 8. April in die Henkmannsche Wohnung begab, fand er letztere gerichtlich versiegelt. Er habe mit Schaudern vernommen, daß sich am 24. März Henkmann mit seiner Frau selbst getötet, nämlich verbrannt habe. – Auf Befragen des Vorsitzenden erklärte der Zeuge, daß er Anarchist sei und zweimal wegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen obrigkeitliche Erlasse mit 2 und 9 Monaten Gefängnis bestraft worden sei. Damals sei er Redakteur des „Sozialist“ gewesen. – Vors.: Haben Sie auch früher den „Sozialist“ gelesen? – Zeuge: Jawohl. – Vors.: Kennen Sie die im Jahre 1892 erschienenen Artikel betreffend den Eid eines Anarchisten, wenn er gegen einen Gesinnungsgenossen als Zeuge aufzutreten hat? – Zeuge: Ja, die habe ich gelesen. – Vors.: Billigen Sie die darin vertretene Ansicht? – Zeuge: Nein, ich stimme ihr nicht zu. – Staatsanwalt Kanzow: Herr Landauer, Sie sind, wie ich weiß, anarchistischer Schriftsteller, warum traten Sie in den Spalten des „Sozialist“ nicht als Verfechter der entgegengesetzten Ansicht auf? – Zeuge: Ich hielt es nicht für richtig, durch Veröffentlichung einer Kritik zur Gegenäußerung herauszufordern und dadurch vielleicht einen Verstoß gegen die Gesetze herbeizuführen. – Staatsanwalt Kanzow: Lesen Sie den Lokalanzeiger? – Zeuge: Selten. – Staatsanwalt: In diesem Blatte hat eine Notiz über den Tod Henkmanns gestanden, sollten Sie diese nicht gelesenen haben? – Zeuge: Die Nachricht ist erst am 8. April zu meiner Kenntnis gelangt – Staatsanwalt: Stehen Sie zu dem in der gestrigen Nummer des „Sozialist“ erschienenen Artikel: „Wie Dynamit-Attentats-Prozesse entstehen“ und der im wesentlichen das enthält, was Sie uns heute erzählt haben, in irgendwelcher Beziehung? – Zeuge: Nein. – Staatsanwalt: War es Ihnen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/186&oldid=- (Version vom 7.1.2019)