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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

Staatsanwalt: Ist Ihnen bekannt, daß dieser Dempwolff, der Ihnen befreundet und schon oft bestraft ist, erst vor kurzem Äußerungen getan hat, daß man die Taten von 1848 wiederholen müßte? – Zeuge: Ich bin in jener Versammlung nicht zugegen gewesen und kann kaum annehmen, daß Dempwolff solche Äußerungen gemacht hat. – Zeuge Landauer erklärte weiter: Er habe sich zur Zeit der Absendung der Kiste in Bregenz am Bodensee dauernd aufgehalten und sei erst jetzt wegen einer schweren Erkrankung seiner Frau nach Berlin gekommen. Obgleich nun die Polizei nach einer einzigen bestimmten Person, der Frauensperson mit dem Tituskopf‚ recherchierte, habe sie sich nicht gescheut, auch seine Frau, bei welcher keine Spur von Ähnlichkeit obwaltete, als Absenderin der Kiste zu verdächtigen. – Polizeirat Wolff: Die Recherchen haben sich nicht auf eine einzige, sondern auf 70 bis 80 Frauenspersonen erstreckt. – Kriminalkommissar Bösel erklärte nochmals, daß er Henkmann absolut nicht kenne, auch ihn niemals als Agenten benutzt habe. Henkmann sei niemals als Polizeiagent verwendet worden.

Hierauf wurde der Vater des Angeklagten Koschemann, der Steueraufseher Koscheman aus Weißenfels, als Zeuge vernommen. Er war 53 Jahre alt; seine Brust war mit Kriegsdenkmünzen und anderen Auszeichnungen bedeckt. Er bekundete: Am zweiten Pfingstfeiertag 1895 sei er auch in Königs–Wusterhausen gewesen. Es sei ihm nicht erinnerlich, daß sein Sohn einmal längere Zeit verschwunden war, so daß er Gelegenheit gehabt hätte, im Geheimen eine Uhr zu kaufen. Am Tage nach diesem Ausflug habe ihm Brede allerlei Schlechtes über seinen Sohn Paul erzählt. Er habe ihm gesagt, sein Sohn sei von der Polizei auf die Anarchistenliste gesetzt und photographiert worden. – Brede bestritt die positive Form dieser Erzählung. Er habe allerdings in längerer Unterredung mit dem Vater Koschemanns die Überzeugung geäußert: sein Sohn sei Anarchist und dürfte auf die Anarchistenliste gesetzt und photographiert werden. – Koschemann Vater

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/189&oldid=- (Version vom 31.7.2018)