Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
|
von gewisser Seite hinstellen möchte. – Nun sehe man sich ferner den Apparat an, den Koschemann als ein Läutewerk für Ärzte bezeichnet. Ich behaupte, daß dies eine Ausrede ist, das angebliche Läutewerk ist eine Maschinerie, die in ihrem ganzen System dem Attentats-Apparat ähnlich ist. Wenn bei jemandem ein Dietrich gefunden wird, muß er sich gefallen lassen, daß er für einen Dieb gehalten wird, bis er den Nachweis vom Gegenteil erbringt. Die Furcht hatte den Angeklagten aber doch gepackt; in der Nacht zum 30. Juni kam er nicht nach Hause und ebensowenig am folgenden Tage. Dies läßt auf ein böses Gewissen schließen. Und wie viele Widersprüche sind ihm nachzuweisen! Bei seiner Vernehmung erklärte er gerade heraus „ich kenne Westphal nicht!“ Bald darauf sagt er bei einem anderen Punkt: „Ich ging mit meinem Freunde..“ da stockt er, beinahe hätte er den Namen „Westphal“ ausgestoßen. Er sagte auch einmal: „Die Kiste ist ja gar nicht an den Polizeiobersten Krause, sondern an den Obersten Krause adressiert.“ Ich behaupte, daß dieser Mangel in der Adresse absichtlich herbeigeführt wurde, um den Anschein zu erwecken, als gehe das Attentat von einer Privatperson aus. Alles Berechnung. Vor dem Untersuchungsrichter hat Koschemann erklärt, daß er keine Anträge zu stellen habe, um die Glaubwürdigkeit des Zeugen Brede zu erschüttern. In seinem Kassiber erklärt Koschemann: „Brede muß bei seiner Behörde verdächtigt werden.“ Und richtig, bald trifft bei den Vorgesetzten Bredes ein anonymer Brief ein, worin dieser beschuldigt wird, Bücher aus der Königlichen Bibliothek unterschlagen zu haben. So handelt kein Unschuldiger. Ich komme also zu dem Schluß: Koschemann ist der Absender der Kiste, er hat das Attentat auf den Polizeioberst Krause selbst ausführen wollen, er ist schuldig zu sprechen! Mindestens aber ist er schuldig zu befinden, Beihilfe zu dem Verbrechen geleistet zu haben.
Was nun die übrigen Angeklagten betrifft, so liegt gegen Westphal nicht so sehr schwer belastendes Material vor, ich
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/197&oldid=- (Version vom 31.7.2018)