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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2

daß den vier letzten Angeklagten nicht das mindeste bewiesen sei, er erwarte daher mit Bestimmtheit ihre Freisprechung. –

Nachdem die Angeklagten sämtlich nochmals ihre volle Unschuld beteuert, gab der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Rieck den Geschworenen die vorgeschriebene Rechtsbelehrung und bemerkte dabei: Meine Herren Geschworenen, ich habe Ihnen nur noch einige Belehrungen allgemeiner Natur zu geben. Es ist vieles Vortreffliche hier im Saale gesagt worden, aber auch manches, womit ich nicht einverstanden bin. Wenn ich es unterließe, Ihnen das zu sagen, so würde ich glauben, meine Pflicht nicht getan zu haben, ich bin aber gewöhnt, meine Pflicht stets ganz zu tun. Es war ein vortrefflicher Satz, daß Sie nur nach Ihrer eigenen Überzeugung urteilen sollen. Jawohl, richten Sie sich nach keines anderen Überzeugung, wer es auch sein mag, der sie hier ausgesprochen hat. Denn Sie können ja einem anderen Menschen nicht ins Herz sehen. Können Sie denn wissen, ob wirklich das, was er sagt, seine innerste Überzeugung ist? Ich spreche hier nicht mit Bezug auf irgend jemanden im Saale, sondern nur im allgemeinen. Der eine Herr hat aus dem Umstande, daß Sie sich an einer bestimmten Stelle Notizen gemacht haben, gefolgert, Sie befänden sich in einem verhängnisvollen Irrtum. Zu dieser Behauptung wäre doch die Feststellung notwendig gewesen, was für Notizen Sie sich gemacht haben. Wer wollte sonst so vermessen sein, Sie eins verhängnisvollen Irrtums zu zeihen. Nein, ich habe mich gefreut, daß Sie sich so fleißig Notizen gemacht haben, und möchte sagen: „Wehe dem Geschworenen, der sich während dieser langen Verhandlung keine Notizen gemacht hat und sich allein auf sein Gedächtnis verlassen will. Der eine Herr hat auch den Indizienbeweis ganz verworfen. Ja ohne den Indizienbeweis hätten wir Richter sehr wenig zu tun. So schwächlich steht es aber mit unserer Strafrechtspflege nicht, wie jene Ausführungen des Verteidigers den Anschein erwecken konnten. Derselbe Herr hat diesen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/203&oldid=- (Version vom 7.1.2019)