Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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überall die Spuren Kneißls verfolgend, es wollte aber nicht gelingen, des Räubers habhaft zu werden. Einmal begegnete der Unhold einer beherzten Landfrau. „Bist wohl der Kneißl?“ fragte sie. „Was fragst mi denn, wenn mi kennst?“ erhielt sie zur Antwort. – Am Spätabende des 30. November 1900 kam Kneißl nach Irchenbrunn. Er klopfte an die Fensterläden des „Fleckelbauern“ Michael Rieger. Dieser, ein sehr übelbeleumdeter Mann, war schon vor vielen Jahren Freund des Vaters des Kneißl und war auch oftmals Gast in der „Schachermühle“ gewesen. Die „Fleckelbäuerin“ öffnete das Fenster und bedeutete dem Kneißl, daß ihr Mann im Wirtshause sei. Kneißl wagte es nicht, in das Wirtshaus hineinzugehen. Er wartete vor dem Wirtshaus. Als Rieger nach einer Weile herauskam, bat er diesen, ihm Obdach, sowie Speise und Trank zu geben. Rieger willigte sofort ein, ließ aber auch sogleich die Gendarmerie von der Anwesenheit Kneißls benachrichtigen. Rieger holte aus dem Wirtshaus Brot und Fleisch und zwei Maß Bier. Damit begab er sich mit Kneißl in seine Behausung. Wie bemerkt, hatte er durch einen jungen Mann die Gendarmerie benachrichtigen lassen. Sehr bald klopften auch der Stationskommandant Brandmeier und der Gendarm Scheidler an dem Riegerschen Gehöft. Die Gendarmen hatten sechs beherzte Bauernburschen ersucht, sie zu begleiten. Als auf mehrfaches Klopfen nicht geöffnet wurde, rief Brandmeier: Öffnen Sie, sonst wird mit Gewalt geöffnet. Rieger antwortete: „I mach nit auf.“ Endlich öffnete aber Rieger. Zunächst traten die jungen Leute ein. Diesen folgten die Gendarmen. Kneißl war es inzwischen gelungen, sich zu verstecken. Als die Beamten den Versteck ausfindig gemacht hatten, schoß Kneißl auf sie. Brandmeier wurde sogleich, tödlich getroffen, zu Boden gestreckt und Scheidler so schwer verletzt, daß er sofort ins Krankenhaus transportiert werden mußte. Dort ist er nach kurzer Zeit an den erlittenen Verletzungen gestorben. Kneißl konnte nun unbehelligt seine Raubzüge fortsetzen. Endlich im März 1901 wurde der Gendarmerie
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/209&oldid=- (Version vom 31.7.2018)