Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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eine so große Zahl Gendarmen nach Geisenhofen zu schicken, ja dann wäre es nicht nötig gewesen, eine Belohnung von 1000 M. für die Festnahme des Kneißl auszusetzen. Und trotzdem konnte sich diese Belohnung niemand verdienen. Rieger wußte auch ganz genau, in welcher Zeit die Gendarmen kommen konnten. Und was geschah, als die Gendarmen ankamen? Rieger saß mit Kneißl ganz ruhig in seiner Wohnstube. Der Verteidiger suchte im weiteren den Nachweis zu führen, daß, selbst wenn die Geschworenen annehmen, Kneißl habe sich des Mordes schuldig gemacht, noch nicht die Notwendigkeit bestehe, auch Rieger schuldig zu sprechen. Der Verteidiger schloß mit der Bitte, seinen Schutzbefohlenen freizusprechen. –
Nach noch einigen Auseinandersetzungen zwischen dem Staatsanwalt und den Verteidigern, bemerkte Kneißl: Ich versichere nochmals, daß ich die Gendarmen nicht erschießen wollte. – Rieger erklärte, daß er sich den Ausführungen seines Verteidigers anschließe. – Die Geschworenen bejahten die Schuldfragen gegen Kneißl wegen Mordes an Brandmeier, wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit tödlichem Ausgange an Scheidler, wegen der räuberischen Erpressung bei Mooseder‚ wegen schweren Raubes bei Scheurer und wegen vorsätzlicher Körperverletzung an Seitz. Alle anderen Schuldfragen, auch sämtliche Schuldfragen betreffs Rieger wurden von den Geschworenen verneint.
Der Gerichtshof verurteilte daraufhin Kneißl, dem Antrage des Staatsanwalts entsprechend, wegen Mordes zum Tode und wegen der anderen Straftaten zu 15 Jahren Zuchthaus, sowie zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und erkannte außerdem auf Einziehung des Drillings. Rieger wurde freigesprochen und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt. Der Vorsitzende, Oberlandesgerichtsrat Rebholz, bemerkte in der Urteilsbegründung: Der Gerichtshof hat bezüglich des Kneißl bei der Strafzumessung die große Gemeingefährlichkeit des Angeklagten
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/235&oldid=- (Version vom 31.7.2018)